Glitter And Gold:
„Words And Music By Barry Mann And Cynthia Weil“
Das hatte keine „As Tears Go By“-Klasse, was Mick Jagger und Keith Richards ihrem Manager als Song für die Debüt-Single seines neuesten Schützlings ablieferten. Natürlich nahm Vashti Bunyan „Some Things Just Stick In Your Mind“ umgehend auf. Der „Record Mirror“ fand das „neatly atmospheric“, der „NME“ sah darin „a plaintive, absorbing tune with a folksy flavour“, meinte aber auch: „The backing’s a bit gimmick-laden.“ Richtig war: Andrew Loog Oldham hatte weder das Talent noch die Vision, die Vorlage als Pop-Kabinettstücká la Phil Spector zu produzieren.
Einiges besser gelang ihm das schon bei „Coldest Night Of The Year“. Aber das veröffentlichte er, mittlerweile Chef des eigenen Immediate Labels, erst gar nicht. Was man nachträglich für ziemlich absurd halten kann. Denn das war große Popmusik, die Barry Mann und Cynthia Weil der Sängerin geliefert hatten, jederzeit nachprüfbar auf ihrer 2007 erschienenen Doppel-CD-Retrospektive „Some Things Just Stick In Your Mind“. Er hätte nur mehr aus diesem schon sehr amerikanischen Stück Pop machen müssen, anstatt die Karriere seiner „Entdeckung“ für die nächsten Jahre gegen die Wand zu fahren.
Andere nutzten das Potenzial von Mann/Weil-Kompositionen um einiges kreativer und erfolgreicher. Die Animals hatten mit „We Gotta Get Out Of This Place“ im selben Jahr 1965 einen ihrer größten Hits. Maßgeschneidert waren ihre Songs für die Drifters („On Broadway“, „Saturday Night At The Movies“). Gene Pitney („I’m Gonna Be Strong“ war 1964 ein Top-Ten-Hit gewesen) gehörte zu ihren dankbaren Abnehmern wie vorher schon auch die Crystals („He’s Sure The Boy I Love“) und die Ronettes.
Den bei weitem größten Hit hatte Eydie Gorme erst sehr spät in ihrer Karriere mit „Blame It On The Bossa Nova“ -bei uns dann populärer in der „eingedeutschten“ Version von Manuela. Ohne die großen Mann/Weil-Songs hätte schließlich die Karriere der Righteous Brothers nie zu solchen Höheflügen abgehoben. Zwei ihrer unsterblichen Hit wurden „(You’re My) Soul & Inspiration“ und „You’ve Lost That Lovin‘ Feelin'“, zwei der grandiosesten Schmachtfetzen, die je einem Brill-Building-Team einfielen.
Der junge Greil Marcus war von all dem offenbar so mächtig beeindruckt, dass er sich erlaubte, einem seiner besten frühen, damals noch gänzlich unprofessoral formulierten Essays den Titel desselben Songs zu geben, mit dem Barry Mann 1961 seinen ersten und einzigen Top-Ten-Hit (solo) gehabt hatte: „Who Put The Bomp (In The Bomp, Bomp, Bomp)“. Von parodistischen Elementen dieses satirischen Songs konnte in Greil Marcus‘ „brief personal history of rock’n’roll“ allerdings keine Rede sein.
Als Mann- als Interpret eigener Songs- dann doch ein sprichwörtliches One-Hit-Wonder blieb, setzte er seine Karriere im Team mit der Kollegin und bald auch Angetrauten Cynthia Weil fort. Die hatte Brill-Building-Mogul Don Kirshner entdeckt und zunächst mit Carole King verbandelt. Mit Rock’n’Roll konnte Miss Weil so überhaupt nichts anfangen, sie begeisterte sich mehr für spektakuläre Broadway-Musicals (fand aber auch die Songs von Woody Guthrie toll, wie in den Lines Notes hier nachzulesen, und die von Leiber/Stoller die so ziemlich genialsten).
Was man bei dieser Werkschau wiederum zumindest ein wenig betrüblich finden kann: Bis auf Gene Pitneys „I’m Gonna Be Strong“ enthält die nicht einen einzigen der zuvor genannten Hits! Davon präsentierten die übrigen acht bislang in der Songwriter-Serie von Ace Records erschienenen Retrospektiven wenigstens ein paar. In diesem Fall ging man offenbar davon aus, dass man anstelle der allseits bekannten Mann/Weil-Evergreens doch besser gut zwei Dutzend der nicht in jeder Plattensammlung vorhandenen Aufnahmen bieten sollte.
Also „The Coldest Night Of The Year“ in der Aufnahme von Nino Tempo/April Stevens und einem Folkpop-Arrangement von Jimmie Haskell. Von Mama Cass „It’s Getting Better“, einer von drei Mann/Weil-Songs aus ihren Solo-Jahren. „Kicks“ in der Aufnahme von Del Shannon, ein Song, mit dem sie sehr direkt auf die Drogensucht des Kollegen Gerry Goffin anspielten (Die Lektüre der Liner Notes bildet doch immer wieder bei Platten von Ace Records!).
Arthur Alexanders „Where Have You Been (All My Life)“, Bill Medleys „Brown Eyed Woman“, „In The Park“ von den Drifters oder das von Dion DiMucci für seine „Born To Be With You“-LP aufgenommene „Make The Woman Love Me“ sind als Raritäten jederzeit eine (Wieder-)Entdeckung wert. „See That Girl“ wiederum war immer schon ein Songjuwel im Katalog der Righteous Brothers.
Die richtigen Entdeckungen hier sind aber allenfalls Kennern geläufige Aufnahmen wie „The Bossa Nova (My Heart Said)“ von Tippie & The Clovers! Der zweite Top-Hit hier ist „I Just Can’t Help Believing“. Das war 1970 einer von elf Mann/Weil-Songs, die B. J. Thomas aufnahm! Und ein Lieblingssong von Elvis. (Ace/Soulfood)
Franz Schöler