Handsome Furs

„Face Control“

Schon in „Legal Tender“ zerren einen Wolf Parades Dan Boeckner und seine Frau Alexei Perry in einen Strudel, der alles durcheinander wirbelt: Bontempi-Orgeln und Noisegitarren, Eurobeat und Indierock sausen an einem vorbei, reißen irgendwann sogar Bruce Springsteens „Dancing In The Dark“ mit.

Die Orientierung verlieren die Handsome Furs auf ihrem Meisterwerk „Face Control“ trotzdem nie, zu sicher sind sie in ihren Stilmitteln und im Wechselspiel von Monotonie und Dissonanz, von Drum-Maschine und E-Gitarre, wenn sie von den Verwertungszyklen des 21. Jahrhundert, vom Ausverkauf der Freiheit im Zeitalter von GPS, dem Ende der Intimität im Zeitalter von MySpace berichten.

Dem exaltierten Pamphlet über amtliche Zahlungsmittel, das das Album eröffnet, folgen Präzisierungen- etwa in der Rock’n’Roll-Reminiszenz „Talking Hotel Arbad Blues“: „I don’t know but I’ve been told, every little thing has been bought and sold.“ Und „All We Want, Baby, Is Everything“ empfiehlt sich nicht nur mit seinem Konsumterror-Slogan, sondern auch mit seinen euphorisierten Gitarrenloops als die nächste große Indiepop-Hymne.

Ach ja, nebenbei verstehen sich die Kanadier, die lange Zeit nicht in die USA einreisen durften, auch als musikalische Auslandskorrespondenten. War das Debüt „Plague Park“ (2007) das Protokoll eines Skandinavien-Trips, verwandelt sich nun „Face Control“ in einen Reisebericht weit in den Osten Europas, der gleichermaßen von Entdeckungslust und Paranoia angetrieben ist und den globalen Kontroll- und Konsummechanismen nachspürt.

Und bevor Dan Boeckner am Ende in „Radio Kaliningrad“ mit überschlagender Stimme vom Heimweg singt, stampfen die Handsome Furs durch minimalistische Glamrockvariationen wie „Evangeline“ oder „Thy Will Be Done“, zerren für „I’m Confused“ ein Rockriff hervor, das aus „Search And Destroy“ von den Stooges stammen könnte, lassen „Nyet Spasiba“ zu einer erstaunlichen Noisepop-Collage anschwellen – und reißen einen immer wieder wirbelnd mit. (Cargo)