Jesse Harris
„Feel“
Wie dieses Album wohl klingen würde, wären sie doch noch nach Brasilien gefahren? Aber es blieb ja keine Zeit, weil Jesse Harris als Alleinautor des mit Bright Eyes bis Cat Power prominent besetzten Soundtracks zu Ethan Hawkes „The Hottest State“ schwer beschäftigt war. Drei Studiotage zwischendurch in New York, das war’s dann für „Feel“.
Selbst Harris‘ Gesang von der Bettkante soll (laut Info) größtenteils noch aus den Live-Takes stammen, die vertraute Musiker wie Schlagzeuger Andrew Borger (Norah Jones), Bassist Tim Luntzel und Keyboarder Jon Dryden erstmals mit diesen Songs konfrontierten, 14 immerhin, doch kaum einer länger als drei Minuten.
Von der großen Brasilien-Vision blieb so nur Perkussionist Mauro Refosco (Bebel Gilberto, David Byrne), der deutlichere Akzente, auch am Vibrafon, freilich eher in Richtung Afrika setzt, in „Walk On“ und besonders „It Washed Away“. Drumherum war vieles möglich, vom Songwriter-Pop des Titelsongs über fragilen Kammer-Folk („I Don’t Mind“) und einen Country-Waltz („You And Me“) bis zum Off-Beat von „Fire On The Ocean“. Dass Harris ursprünglich vom Banjo kommt, verrät vor allem das kraftvoll-reduzierte „How Could It Take So Long ?“, da klingt er dann schon fast wie ein Neffe von Paul Simon.
Man kann alltags(nase)weise Harris-Songs wie „Walk On“, „I Would“ oder „If I Had No Name“ immer noch entwaffnend naiv finden. Aber manchmal sind sie auch nur noch naiv. „If I was no one, wouldn’t it be fun“, kokettiert Jesse Harris rhetorisch. Ein Niemand ist er nicht, doch für viele wird Harris auch nach diesem immerhin schon siebten Album in eigener Sache einfach dieser sympathische Typ mit der Brille bleiben, der diesen dicken Hit („Don’t Know Why“) für Norah Jones geschrieben hat und nie dick aufträgt.
Dabei ist Jesse Harris als Interpret seiner eigenen Songs keine Fehlbesetzung. Doch dass da anhaltend Frauen mit mehr Stimme -Jones, Lizz Wright, Madeleine Peyroux- mehr daraus gemacht haben, ist natürlich kein Zufall. (Ponderosa/Edel)
Jörg Feyer