Ben Kweller
„Changing Horses“
Die frühe Jugend dieses immer noch recht jungen, nämlich 27-jährigen Mannes- das war ja nicht nur ein freizeitmusizierender Doc als Dad, der Nils Lofgren einen alten Highschool-Freund nennen konnte und den Sohn für ein paar Beatles– und Hollies-Cover schon ganz früh hinters Schlagzeug setzte. Nein, das waren für den zehn-, elfjährigen Ben Kweller damals in Greenville/Texas vor Nirvana auch die Hits von Alan Jackson auf der Country-Station- und Garth Brooks.
Das war bekanntlich dieser Anti-Hank im Designerhemd, der Country stadionkompatibel machte und dabei auch noch die letzten Hillbilly-Wurzeln dieser Musik kappte. Sagen die aufrechten Puristen. Doch ganz so übel kann er auch nicht gewesen sein, der Garth, wenn er jetzt einen von der Reminiszenz an jene Zeit befeuerten Indie-Popper zu diesem Pferdewechsel tragen kann.
Dabei tut Kweller gar nicht erst so, als säße er schon ewig im Sattel und könne deshalb aus tiefer Ursuppe schöpfen. Vielmehr begriff er dieses, sein viertes Solo-Album einfach als willkommene Stilübung und lockeres Rollenspiel mit Gebrauchsprosa. Da vergießt er ganz still eine dicke Troubadour-Träne für eine gewisse Wendy Baker, nur um sogleich als heiser jodelnder „Sawdust Man“ auch mal am Honky-Tonk-Klavier zu sitzen.
Der liebeskranke Romantiker mit Hut, der gleich zum Auftakt das Lotterlager einer „Gypsy Rose“ teilen möchte, gibt hier noch so einiges her, genretypische Wortspiele inklusive. „She just wants me wantin‘ her again“, muss Kweller erkennen, während ihn im schönsten Song die ebenso stolze wie betrübliche Einsicht überkommt: „I never wanna be the old hat you put on your pretty hair…“
Und dazu heult allerliebst die stets präsente, aber nie vorlaute Pedal Steel von Ben „Kitt“ Kitterman. Den geübten Storyteller gibt Kweller auch noch, in der klassischen Emanzipationsgeschichte „On Her Own“. Und für letzte Dinge bleibt auch hier nur die Gospel-Variante in „Homeward Bound“ Damit ist nach zehn Songs und 35:44 Minuten alles gesagt, das Pferd muss ja pünktlich wieder in den Stall. Wie damals bei Garth. (ATO/Rough Trade)
Jörg Feyer