Franz Ferdinand sind die immer akkurat gescheitelten Musterschüler der britischen Pop-Klasse. Ihren ostentativ zur Schau gestellten Hedonismus nimmt man ihnen daher nie so ganz ab. In Wahrheit treiben sie sich lieber in neospießigen Bioläden und Bibliotheken rum als in lifestyligen Boutiquen und angesagten Clubs. Ihren Versuch über das Nachtleben beginnen sie daher konsequenterweise literarisch. Mit James Joyce (oder Homer?).

„Ulysses“ heißt das erste Stück auf „Tonight…“, das uns nicht etwa in Harold Blooms Tag, sondern in die stroboskopische Nacht einer Metropole führt: Natürlich sitzt der monotone Beat wie angegossen, Alex Kapranos gibt dazu den gelangweilten schönen Jüngling, der nur einen Weg kennt, seinem Ennui zu entfliehen: „Come on let’s get high!“ Was folgt, ist ein Bastard aus Giorgio Moroder und Blurs „Song 2“. „You’re never coming home“, ruft Alex Kapranos wie im Rausch- die Blasiertheit kippt (zwischen Skylla und Charybdis?) ins Manische.

Auf dem letzten Album „You Could Have It So Much Better“ und vor allem der nachfolgenden Tour hatte die Schneidigkeit, mit der die schnieken Art-School-Popper ihre von zackigen Riffs getriebenen Songs in die mit Ringelpullis uniformierte Gemeinde peitschten, fast etwas beängstigend Militärisches. Auf „Tonight…“ haben sie nun die obersten Knöpfe ihrer Hedi-Slimane-Hemden aufgeknöpft und sich auch musikalisch geöffnet. Für Sixties-Pop, Disco und Psychedelia; selbst die Gitarren dürfen dabei schon mal etwas ungebügelt klingen.

Trotzdem erkennt man an dem oft etwas zu peniblen Stilwillen und den doch eher begrenzten songschreiberischen Mitteln bei jedem Akkord, dass es sich hier um ein Franz Ferdinand-Stück handelt, auch wenn- wie in „Twilight Omens“- sich ein ABBA-Synthesizer mit einer Kinks-Melodie vermählt, die Stücke sich vor den Sparks oder Parliament verneigen, im fast lässigen Westcoast-Sound daherkommen oder sich etwa“Lucid Dreams“ über einen psychedelischen Albtraum in einen House-Track verwandelt.

Am Ende der Clubtour steht eine akustische Miniatur, die ein bisschen an „Eleanor Put Your Boots On“ vom letzten Album erinnert. „Do you ever wonder how the boy feels?“, fragt Alex Karpanos. Der letzte Romantiker zwischen all den Alphamännchen auf dem Dancefloor? Den obersten Hemdknopf hat er jedenfalls wieder geschlossen. „Because I never wonder how the girl feels.“ Schnell zurück hinter die Bücherwand. (Domino)

Maik Brüggemeyer