Nachträglich richtigzustellen, was bei dem vermeintlich ganz und gar authentischen Mitschnitt in Wirklichkeit manipuliert war, mochte man – wie schon bei der Expanded Edition vor Jahren – auch jetzt nicht riskieren.

Auf den Schwindel bei seinen Liner Notes, in denen sich Cash – „I have been behind bars a few times… Each time, I felt the same feeling of kinship with my fellow prisoners.“ – als ein richtig erfahrener und zutiefst mitfühlender Knastbruder ausgab, kommt sein Biograf Michael Streissguth in den Anmerkungen zur neuen Luxus-Ausgabe zu sprechen. Dazu fragt sich auch Rosanne Cash einmal mehr, warum ihr Vater meinte, diese Form von myth making nötig gehabt zu haben. Über die Tricks, mit denen man das ganze Drama der Knast-Atmopshäre nachträglich noch zu steigern suchte, verliert Streissguth aber diesmal kein Wort.

Die Wahrheit hatte Streissguth ausführlich in seinem Buch „Johnny Cash At Folsom Prison: The Making Of A Masterpiece“ (bei Roger & Bernhard erschienen) erzählt. Der Knast-Mitschnitt war die Platte, die Cash dringend benötigte, um sich und alle um ihn herum davon zu überzeugen, dass er alles andere als ein ausgebrannter Fall war.

Streissguth schildert noch einmal die entscheidende, vielleicht auch etwas ausgeschmückte Anekdote, der zufolge ein in schwarz gekleideter Sänger, voll unter Drogen, „total high, zugedröhnt bis in die Haarspitzen“, durch die Hintertür das neue Nashville-Büro von Columbia-Produzent Bob Johnston betrat und ihn bekniete, er müsse unbedingt ein Live-Album in einem Zuchthaus machen.

Woraufhin Johnston zum Telefon griff und die Nummern der Gefängnisse von Folsom und San Quentin anrief. In Folsom ging man schneller an den Apparat. Dass Cash das damals als eine einmalige Chance betrachtete, bei der er nicht auf Routine setzen durfte, war klar. Angesetzt waren zwei Konzerte, bei denen Mitarbeiter emotionale Reaktionen der Knastbrüder so clever zu provozieren und zu steigern verstanden, dass der Aufruhr von Gefühlen akustisch superb dokumentiert war.

Dass man die Tatsachen durch Playback um der Wirkung, Glaubwürdigkeit und kommerzielle Chancen willen retuschierte, dokumentiert Streissguth auch: „Am schockierendsten war ein schriller Juchzer, den jemand ausstieß, als Cash den Häftlingen mitteilte, er habe in Reno einen Mann erschossen, nur um ihn sterben zu sehen. Doch was die Plattenkäufer zu hören bekamen, nachdem Cash die blutrünstigen Zeilen von sich gegeben hatte, war ein nachträglich im Studio hinzugemischter Freudenschrei.“

Hier sind die Auftritte erstmals komplett zu hören, mit Interpretationen von „I Got A Woman“, „The Legend Of John Henry’s Hammer“, den gnadenlos sentimentalen Knast-Klassiker „I’m Here To Get My Baby Out Of Jail“ und andere vormals unveröffentlichte Aufnahmen; ungeschnitten die Auftritte von Carl Perkins und den Statler Brothers in der ursprünglichen Abfolge; intakt auch die längeren Ansagen und Geschichten zwischen den Songs.
Schmunzeln darf man bei der sehenswerten Dokumentations-DVD über eine Bemerkung von Bob Irwin, der behauptet, es handle sich um eine „unterproduzierte“ Platte. (Columbia Legacy)