Armer Roy, dickes Kind. Weil er in Wink, West-Texas, nahe der mexikanischen Grenze geboren war, nannte er seine erste Band The Wink Westerners. Weil das dem Quintett bald selber zu albern erschien und wohl die Verehrung für Gene Autry und den Western Swing von Bob Wills rapide schwand, benannte sich das Quintett um in The Teen Kings. Wie potenzielle Popstars sahen sie wahrlich nicht aus, mehr wie kurzgeschorene Provinzheinis, die ein Manager in billige Einheits-Anzüge gesteckt hatte. Aber wie ein richtiger Rockstar sah der texanische Kollege Buddy Holly damals ja auch nicht gerade aus.

Im Studio von dessen Manager nahmen die Teen Kings erstmals einen Song auf, den sie zwei Studenten abgekauft hatten. Die „Ooby Dooby“ in 15 Minuten geschrieben hatten. Der besaß nicht trotz, sondern wegen seiner das Schlichtheit das gewisse Hit-Potenzial.

Das sah auch Sun Records-Chef Sam Phillips so. Erst hatte er Johnny Cash eine barsche Abfuhr erteilt, als der ihm vorschlug, sich diesen Teen Kings-Sänger mal anzuhören. Aber als ihm die auf dem Winzig-Label Je-Wel veröffentlichte Single-Urversion von „Ooby Dooby“ zugespielt wurde, änderte er seine Meinung und lud die Teen Kings ein, den Song noch einmal bei ihm aufzunehmen. Das wurde ein kleiner Hit – und der Anfang frustrierender Jahre für den Sänger.

Ab sofort diktierte ihm Phillips, was er zu tun und zu lassen hatte. Er legte Roy Orbison strikt auf die Rolle des Rockabilly-Sängers fest – selbst dann noch, als die Beliebtheit dieses Genres längst offensichtlich rapide abnahm. Er vergatterte ihn, aus dem Ärmel geschütteltes Wegwerf-Songmaterial wie „Rockhouse“ mit selten einfältigem Text aufzunehmen.

Sun-Tonmeister Jack Clement erklärte dem Sänger, seine Stimme sei für Balladen völlig ungeeignet. Am Ende musste sich Orbison aus dem Vertrag rauskaufen, indem er alle Rechte an den Aufnahmen an Phillips überschrieb. Nie hat sich Phillips so total in einem Talent geirrt wie in diesem jungen Mann, dessen Karriere er beinahe für immer gegen die Wand gefahren hätte.

Vielleicht wäre auch alles ganz anders gekommen, hätte er je die Balladen gehört, die Orbison mit Norman Petty geschrieben und aufgenommen hatte. Auch seine Aufnahme von „Tryin‘ To Get To You“, ebenfalls mit den Teen Kings aufgenommen und erstmals seit Ewigkeiten in diesem Box Set zugänglich, hätten bei ihm möglicherweise einen Sinneswandel bewirkt.

Der kreative Höhenflug nach dem darauf folgenden kurzen RCA-Intermezzo war das Ergebnis der Tatsache, dass er während seiner Monument-Ära erst in Joe Melson und dann in Bill Dees kongeniale Co-Autoren und handwerklich perfektionswütige Songschreiber fand, mit denen er das teenage angst-Genre radikal in das eines modernen Troubadours transformierte, der seinem Gefühlsuuml;berschwang so beredt wie hemmungslos Ausdruck verleihen konnte.

Legenden zirkulieren darüber, wie Produzent Fred Foster bei den Sessions zu „Only The Lonely“ und folgenden Hits mit tontechnischen Tricks die Emotionen als Sound-Designer noch zu steigern verstand. Niemand findet zu Songs wie „In Dreams“, „Running Scared“ und „Crying“ trefflichere Worte als Tom Waits: „His voice is so alone it defies comparison. It feels like part opera, part mariachi, part lonesome yodel and part Irish tenor via Texas… He sounds like a man who is man enough to cry.“ Noch Klügeres fiel für die Liner Notes der Box auch Elvis Costello und Bonnie Raitt nicht ein.

Schockiert war später Roy Orbison, als er in Malibu ins Kino ging und sich dort anschaute, wie David Lynch „In Dreams“ in den Soundtrack von „Blue Velvet“ eingebaut hatte. Lynch hatte das ganze Drama des Liedes begriffen, während Orbison sonst weithin längst als ein Anachronismus gesehen wurde. Das markierte für ihn nach langen Jahren einer ziemlich holprigen Karriere den Beginn eines steilen Höhenflugs.

Eines kurzen, auf der dritten und vierten CD des Sets mit vielen fabelhaften – auch raren aus dem Archiv der Witwe dokumentierten – Aufnahmen, noch einmal den Sänger in seiner einsamen Klasse porträtierend. In Duetten mit Emmylou Harris und k. d lang, beim Demo „Precious“, den Soundtrack-Beiträgen und dem zwei Tage vor seinem Tod live mitgeschnittenen „It’s Over“.

Elvis Costellos absoluter Lieblingssong „Crawling Back“ fehlt hier natürlich auch nicht. Auch das war eben eine dieser klassischen Orbison-Balladen, die hier übrigens erstklassig remastered vorliegen.(Sony Legacy)