Walter Becker
Circus Money
Hier perlen die Gitarren-Licks, wehen die Keyboards wie eine Sommerbrise, klappert edel das Schlagzeug, klingen die Chor-Sängerinnen wie Top-Models, schnalzt lässig der Bass. Mehr noch als Donald Fagen inszeniert Walter Becker das luxurierende Leben – um dann, in seinen Texten, ohne Bedauern bei dessen Zerfall zuzusehen. Fagen produzierte 1994 Beckers erste Platte, „11 Tracks Of Whack“, auf der die Songs so beiläufig und entspannt waren, dass es an Arbeitsverweigerung grenzte. Becker versuchte sich auch an etwas Gesangsartigem.
Auf „Circus Money“ hat der Gitarrist die bescheidenen Möglichkeiten seiner Stimme wunderbar genutzt – wie schon bei „Rock Of Ages“ von Steely Dan hat sein Sprechgesang etwas Bedrohliches, Lauerndes. Die Grooves, oft genug vom Reggae und immer vom Jazz induziert, spülen träge an den Strand von Beckers Phlegmatik, von Gordon Gottliebs Percussion, Keith Carlocks Schlagzeug und Jon Heringtons Gitarre präzise gebändigt. Walter Becker, ein milder Zyniker, war nach dem Ende von Steely Dan 1980 dem Heroin verfallen, hatte sich auf Mauii zurückgezogen und produzierte manchmal ein Album für das Wohlfühl-Label Windham Hill – auch für Donald Fagen war er lange nicht zu erreichen, bis sie wieder gemeinsam agierten. Das gutmütige, an Bill Bryson erinnernde Aussehen mit dem fein gestutzten Bart darf nicht täuschen: Becker ist der schlimmere Finger, denn Fagen neigt zur Sentimentalität.
So schleichen sich Beckers Songs leichtfüßig und perfide heran: „Downtown Canon“ und „Bob Is Not Your Uncle Anymore“, „Paging Audrey“ und „Darkling Down“ – im Dolce Vita von Sex und Drogen, Geld und Macht erkennt er jederzeit den Niedergang, und junge Dinger müssen sich von dem soignierten Spötter in Acht nehmen. Dass so vernunftbewehrte Emotion nicht zu Herzen gehe, wurde schon von der Steely Dan-Musik behauptet. Dabei gibt es nirgendwo mehr Melancholie und Herzeleid. Und schmuddeligere Fantasien auch nicht. (Sonic 360/Rough Trade)