Beatsteaks Muffensausen
Legends Of The Canyon
Über den Laurel Canyon in den späten Sechzigern ist schon viel geschrieben worden -und auch der Fotograf Henry Diltz hat sich bereits anekdotenreich Jackson Browne, Jimmy Webb, CSN &Y, Joni Mitchell, den Eagles und America gewidmet. Bei dieser Liebesarbeit nun aber wundert man sich darüber, dass Frank Zappa, Gene Clark, John Philipps, Mama Cass und John Sebastian zwar erwähnt werden -dann jedoch nur noch David Crosby, Graham Nash, Stephen Stills, Schlagzeuger Dallas Taylor und Henry Diltz (und, kurz, David Geffen, Van Dyke Parks und der verstorbene Mogul Ahmet Ertegun) sprechen. So verengt sich der Blick auf ein Resümee des Folkrock-Ensembles, das sich freilich auf den Glanz der ersten beiden Alben, die Turbulenzen um Neil Young und Andeutungen über Drogenkonsum beschränkt -und die „Musik, die nicht gemacht wurde“, wie Crosby es mild formuliert. Im Zugabenteil erinnert sich Mama Michelle Philipps ausführlich. (Universal) ARNE WILLANDER
Die Beatsteaks auf „Two Drummer Summer“-Tour -das bedeutet Mitsingen, Tanzen, Schwitzen und Sichgegenseitig-in-den Armen-Liegen. Die Mitschnitte zeigen, wieso -ob bei melodisch-verspieltem Alternative-Rock oder dem Punk ihrer Anfangstage. In sympathischer Berliner Schnauze erzählt die Band vom Muffensausen vor der Show -von abgeklärter Routine keine Spur. Das eigentliche Highlight, das die Beatsteaks ganz nah und natürlich zeigt, ist die Doku „Fresse halten, Bass spielen“ über Torsten Scholz. Mal was anderes -Bassisten stehen sonst ja bekanntlich weniger im Mittelpunkt. Nebenbei wird die Bandgeschichte ab „Living Targets“ erzählt. Zusammen mit der ebenfalls enthaltenen Serie „Beat TV“ ergibt sich so ein unterhaltsames Porträt einer der besten deutschen Live-Bands. Als Sahnehäubchen gibt es noch eine Live-CD mit dem neuen Song „Say Say Say“, als Kirsche die jüngeren Musikvideos plus Makingofs. (Warner) SANDRA ADLER
Hardrockbands haben in Japan traditionell einen guten Stand, auch Aerosmith spielen dort in noch größeren Hallen als im Rest der Welt. Im Herbst 2011 war es an der Zeit, sich mal zu revanchieren für die Loyalität: Die Amerikaner traten ihre Tournee an, während viele Kollegen nach der Katastrophe von Fukushima lieber absagten. Warum sollten ausgerechnet die „Toxic Twins“ Angst vor Verstrahlung haben? Sie ficht nichts mehr an -all der Alkohol und all die Drogen müssen Steven Tyler und Joe Perry irgendwie konserviert haben. Sie wirken jedenfalls einigermaßen fit (zumindest von Weitem), auch wenn Tylers Stimme nicht immer hält. Er gleicht es durch exaltierte Gesten aus. Aerosmith rocken in 90 Minuten routiniert durch Hits von „Mama Kin“ bis „Love In An Elevator“, dazwischen gibt es Interviewschnipsel und Impressionen von der Konzertreise. Selten hat man Tyler so bescheiden, dankbar und freundlich erlebt. Es braucht wohl einen Tsunami, um diesen Typen klein zukriegen. (Eagle Vision) BIRGIT FUSS
The Charlatans sind eine tragische Band. Als Nordengland mit dem Rave-Epizentrum Manchester Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger musikalisch explodierte, stand die Band im Schatten der Happy Mondays und Stone Roses. Weniger Skandale, weniger Drogenwahnsinn. In den Jahren 1995 bis 1997 hatten sie mit dem Album „Tellin‘ Stories“ eine zweite Hochphase, die man wiederum außerhalb der Britischen Inseln mit gepflegtem Desinteresse würdigte. Ein Fall von veritablen Popmusikern, die nicht so recht ernst genommen werden. Diesen Fluch vertreibt auch diese Zweieinhalb-Stunden-Dokumentation nicht, die den Entstehungsprozess von „Tellin‘ Stories“ erzählt -eine Saga von Aufstieg, Fall und nochmaligem Angriff auf die UK-Charts. Die Band zeigt Kampfgeist und muss während der Aufnahmen den Tod ihres Keyboarders Rob Collins verkraften. Ein echtes Emo-Drama, als Tim Burgess und Co. beim Knebworth-Festival ein furioses Requiem zelebrieren. Die dunkle Seite des Britpop.(Cargo) RALF NIEMCZYK