The Weeknd Trilogy
Gibt es noch feste Regeln und Gesetze, nach denen die Ökonomie des zeitgenössischen Pop funktioniert? Während sich die Musikbranche über Copyright-Verletzungen erregt und Sanktionen fordert, geht ein Künstler her und verschenkt seine Musik. Nein, nicht nur einen Song, um sich interessant zu machen, sondern gleich mehrere Alben. Zwischen März und Dezember 2011 hat der 22-jährige Kanadier Abel Berihun Tesfaye unter dem Namen The Weeknd drei sogenannte Mixtapes auf seiner Webseite zum Download freigegeben. Taufrischer R&B, mit einem unendlich beseelten Gesang, durchzuckt von den Blitzen eines (Post-)Dupstep-Sounds, abgerundet durch Pop-Reminiszenzen, wie ein Remake von „Happy House“, dem alten Gothic-Punk-Hit von Siouxsie & The Banshees. „House Of Balloons“, das erste Album von The Weeknd, schaffte es so souverän in die Top Ten nicht nur meiner Jahrescharts für 2011. Ist es da nicht seltsam, dass die „Trilogy“ nun noch einmal in einer Bezahl-Version auf den Markt kommt, immerhin remastered und ergänzt durch drei neue Tracks? Vielleicht liegt es daran, dass The Weeknd inzwischen mit Lady Gaga, Florence & The Machine und seinem Kumpel, dem Rapstar Drake, zusammengearbeitet hat. Auch der Erfolg des ähnlich klingenden Alex Clare dürfte eine Rolle gespielt haben. Was lernen wir daraus? Qualität setzt sich auch ohne großen Apparat durch und kostenlose Downloads sind ein mächtiges Marketingtool. (XO/Universal)
Sehr viel leiser schleicht sich dagegen ein alter Freund in unser Bewusstsein zurück: Textor, der Rapper von Kinderzimmer Productions, hat ein fantastisches Soloalbum veröffentlicht. „Schwarz Gold Blau“ ist Post-HipHop mit Tanz-Combo und ein paar elektronischen Tupfern. Eine Affäre des deutschen Kunstlieds mit dem amerikanischen Song, unter den Vorzeichen einer Jugend in Westdeutschland. Stücke wie „Truckstop Bockenem“ sind funky as hell, aber so nah am deutschen Alltag wie kaum ein heimischer Liedermacher. Die Tristesse einer Jugend zwischen Großraumdisko und Schleckermarkt wird immer wieder ironisch gebrochen. Langsame Stücke wie „Hunrig ins Bett“, erinnern an die schläfrige Spannung der Chicagoer Band Souled American. (Trikont)
Ganz anders grandios ist die jüngste Zusammenstellung des Labels Analog Africa: „Diablos del Ritmo – The Colombian Melting Pot 1965 – 1985“ präsentiert auf zwei CDs die feurige Vielfalt kolumbianischer Musik. In den 60er- und 70er-Jahren verschmolzen dort die tropischen Sounds von Puya, Porro oder Cumbiamba mit Hybriden des Afrobeat. Heraus kam ein oft von Akkordeon oder Bläsern getriebenes dichtes Rhythmusgeflecht von unwiderstehlichem Reiz. Analog-Africa-Betreiber Samy Ben Redjeb hat auf zahllosen Reisen nach Kolumbien 32 makellose Juwelen ausgegraben. Das Weltmusik-Album des Jahres! (Analog Africa/Groove Attack)
Veränderungen kommen, Moden gehen – doch eins bleibt ungebrochen: Die Popularität des Offbeat und der schwere Bass-Sound des Reggae. In Neuseeland hat sich in den vergangenen Jahren eine sehr interessante Szene entwickelt, zu der neben Fat Freddy’s Drop auch Salmonella Dub gehören. Kooperationen mit Adrian Sherwood, Groove Corporation, Dreadzone und David Harrow sorgen auf diesem Europa-Debüt für Referenzen, die man auch auf anderen Tracks hört. Sehr souverän. (Echo Beach)