Lang lebe Charlie Countryman :: Shia LaBeouf, Evan Rachel Wood
Regie: Fredrik Bond
Mit dem Schweden Fredrik Bond stürzt sich mal wieder ein Werbefilmer mit entfesselten visuellen Einfällen ins Kino. Sein Regiedebüt erzählt von dem orientierungslosen Charlie (Shia LaBeouf), den es nach dem Tod seiner Mutter durch eine Vision nach Bukarest verschlägt. In der rumänischen Hauptstadt verknallt er sich in die schöne Cellistin Gabi (Evan Rachel Wood), die allerdings mit dem brutalen Gangsterboss Nigel (Mads Mikkelsen) liiert ist.
Das Unterwelt-Märchen, in dem ein naiver Held für die kathartische Liebe durch die Hölle geht, ist eine fiebrige Achterbahnfahrt aus Zeitlupenaufnahmen, Songcollagen und episch stilisierter Gewalt. Charlie wird unentwegt verfolgt und verdroschen, hat aber nichts zu verlieren und lässt sich daher nicht verjagen. Die Story ist zwar wenig plausibel. Unausgegoren wirken auch die Kurzauftritte des rothaarigen „Harry Potter“-Darstellers Rupert Grint, der als Boris Pecker eine Pornokarriere starten will, und unseres Mannes in Hollywood, Til Schweiger, als Killer. Doch die Dynamik der surrealen Romanze reißt einen immer wieder mit. (Koch Media)
Sara Forestier, James Thierrée
Regie: Jacques Doillon
Der deutsche Untertitel dieses im französischen Original „Mes séances de lutte“ betitelten Films ist etwas irreführend. Regisseur Jacques Doillon („Ponette“), langjähriger Lebensgefährte von Jane Birkin, zeigt zwar explizite Sexszenen, erotisch ist das Ringen der beiden Hauptfiguren allerdings nicht, eher exzessiv, verzweifelt, aggressiv. Einer Therapiesitzung ähnelt die Begegnung eines introvertierten Schriftstellers (James Thierrée) und einer hyperaktiven jüngeren Frau (Sara Forestier) in einem sommerlichen Dorf. Er leidet unter einer Schreibblockade und verzettelt sich mit der Renovierung seines Hauses. Sie kehrt zur Beerdigung ihres Vaters, von dem sie nie Liebe erfahren hat, in ihren Geburtsort zurück und leidet unter den Erbstreitigkeiten mit ihren Geschwistern. Erst belauern und provozieren, dann schubsen und prügeln sie sich gegenseitig ihre Frustrationen aus dem Leib.
Doillon fängt die leidenschaftliche Konfrontation mit der Handkamera in rohen, schönen und intensiven Bildern ein. Und die verstörende Wucht aus schmerzhafter Lust und unerschöpflicher Wut, nur kurz unterbrochen von zärtlicher Erschöpfung, nimmt den Zuschauer gefangen. Die psychologische Banalität von Selbsthass, Einsamkeit, Vaterersatz und Hilfeschreien aber berührt bei dieser Versuchsanordnung nicht. (Pierrot Le Fou)
Seo Yeong-joo, Cho Jae-Hyun
Regie: Kim Ki-duk
Schon die Handlung ist nichts für schwache Nerven -eher schon was für den Therapeuten: Ein Mann (Cho Jae-Hyun) betrügt seine Frau (Lee Eun-woo). Die lässt vor Eifersucht den gemeinsamen Sohn (Seo Young-joo) büßen – und schneidet ihm den Penis ab. Aus Schuldgefühlen lässt der Vater ihm darauf hin seinen transplantieren. Doch der Junge kann danach nur mit seiner Mutter schlafen. Eine abstruse Geschichte erzählt Kim Ki-duk, der als Meister des Arthouse-Schockers („Seom – Die Insel“,“Samaria“) die abgründige Verbindung von Gewalt und Sex stets in Sühneund Erlösungsmetaphern überhöht. Hier überführt er Penisneid und Kastrationsängste, Sadomasochismus und Inzest in eine schwarze Komödie, die im Kern den Ödipus-Mythos variiert. Dafür hat er das Unaussprechliche radikal weitergedacht: Bis auf Lust- und Schmerzensschreie ist kein Wort zu hören. Damit hat Ki-duk seinen Film, in dem unauf hörlich blutig mit Messern hantiert wird, gleichsam kastriert und ein faszinierendes Werk des Schnitts, der absoluten Bildsprache ausgetüftelt. Und er erhellt die finstere Familiengeschichte mit bizarrer Komik, wenn etwa der schwanzlose Sohn einer Vergewaltigung verdächtigt wird. (MFA)
Woody Harrelson, Russell Simmons
Regie: Matthew Cooke
In sieben Stufen zum millionenschweren Drogenboss: Im verheißungsvollen Ton von Selfmade-Ratgebern und mit dynamisch montierten Bildern wie aus einem Videospiel durchleuchtet diese satirische Dokumentation das einträglichste Geschäft unserer Zeit. Jährlich 400 Milliarden Dollar werden mit illegalen Rauschmitteln umgesetzt, und trotz immenser polizeilicher Gegenmaßnahmen ist der Verkauf damit ungebrochen und offenbar leichter denn je. Selbst die Justiz gesteht ein, dass der einst von US-Präsident Richard Nixon zum Krieg hochgestufte Kampf gegen die Drogen längst verloren ist. Liberale wie Susan Sarandon plädieren deshalb für eine Freigabe, während der Rapper 50 Cent von seinen Erfahrungen als Dealer erzählt und „The Wire“-Schöpfer David Simon die zweifelhafte Rolle der Regierung erläutert. Denn politische Interessen und Korruption machen den Drogenhandel auch für die staatlichen Instanzen zum lukrativen Geschäft. Oder wie es Stand-up-Comedian Chris Rock auf den Punkt bringt: „Sie wollen, dass ihr nicht eure Drogen nehmt, sondern ihre.“ So steckt hinter der knalligen Attitüde eine ernsthafte Analyse, die zwar nicht immer neue Fakten aufzeigt, aber durchaus aufschlussreich bündelt. (Ascot Elite)