Tribute :: Der geschmeidige Pop des Briten wurde leider totproduziert
Erinnern Sie sich an den Auftritt des britischen Pummel-Sängers John Newman bei „Wetten, dass..?“ Das war der unfassbar energetische Junge mit Halskettchen über dem weißen Hemd und tief hängender Anzughose, der beim Singen ständig auf die Knie fiel. Normalerweise sinken die „Wetten, dass..?“-Quoten, sobald Menschen zu singen anfangen, und sie steigen, wenn Bierflaschen mit Pobacken geöffnet werden, aber hier könnte es gerechterweise mal anders gewesen sein: John Newman ist eine Schau! Sein geschmeidiger Hit „Love Me Again“ böllterte noch wochenlang aus Radios und Kaffeebuden. Auf Albumlänge ermüdet die Dauererregtheit des 23-Jährigen indes rasch. Jeder Song soll Höhepunkt sein, alle bedienen sich der gleichen Mittel: jubilierendes Klimper-Klavier, moderate House-Beats, orchestraler Pathos-Kleister, Jingle-Gitarrenriffs wie Ziergirlanden und ein Sänger, der immer alles gibt -egal ob Tanzbodenstampfer oder Ballade. Puh.
Es mangelt John Newman, der zuvor als Stimme der Londoner Dubstep-Combo Rudimental aufgefallen war, nicht an Selbstbewusstsein. „Tribute“ beginnt mit einer leicht sakralen und größenwahnsinnigen Aufzählung bekannter Namen, von Ray Charles über Dusty Springfield und Jimi Hendrix bis Michael Jackson, von den Fünfzigern bis heute, ein kleines Streicherensemble summt dazu, das Ganze endet im Jetzt -also bei John Newman – und geht nahtlos in seinen Hit (s.o.) über. Mitunter gelingt ihm Hübsches wie die stimmige Ballade „Out Of My Head“ oder das donnernde „Cheating“, das mit funky Drummer und Boogie-Piano sehr cool zwischen Rave-Rock und Northern Soul navigiert. Es ist aber auch immer mal zum Weglaufen, wenn das von Handclaps und Stakkato getriebene „Try“ dem überzuckerten Refrain zutreibt oder der bei Andrew Lloyd Webber geliehene Operettenchor den im Kern nicht üblen Song „Gold Dust“ niederschmalzt. Schade drum.
Newman ist eine männliche Adele, er verlässt sich auf seine sehr eigene, tolle Stimme. Das Debüt ist jedoch zu banal, zu totproduziert, zu over the top. Man sollte ihn von dem sinnlosen Pathos und dem Musical-Schwulst befreien, vielleicht kommt ein einzigartiger blue eyed Soulboy zum Vorschein. Würde ich fast drauf wetten. (Universal) SEBASTIAN ZABEL