Lexikon der Angst :: Annette Pehnt
Annette Pehnt bringt hier 45 Kurzgeschichten, die nur durch ihr Thema, die mehr oder weniger pathologischen Ängste ihrer Protagonisten, zusammenhängen, in eine lexikalische Ordnung. Die Strukturidee des Buches ist apart. Eine verwirrend diversifizierte, chaotische Welt wird durch ein völlig willkürliches Ordnungsprinzip vielleicht am adäquatesten abgebildet, weil das keine Kohärenz vortäuscht, wo schlicht keine ist. Aber gibt es diese Welt eigentlich, wie sie sich bei Pehnt darstellt? Man hat leider nicht den Eindruck. Es geht ihr gar nicht um einen forcierten Realismus. Diese Nummernrevue der Ängste wirkt zu großen Teilen ausgedacht. Das liegt auch daran, dass ihre klinische Diktion diese Erzählungen zu Fallgeschichten macht, die das individuelle Profil der Protagonisten zugunsten des Exemplarischen vernachlässigen. Ihre Neurotiker unterscheiden sich durch ihre bisweilen sehr gesuchten Phobien, aber darüber hinaus entwickeln sie wenig eigenes Profil. Und das serielle Prinzip leistet überdies einer gewissen Monotonie Vorschub. Man muss das Buch wohl tatsächlich wie ein Lexikon lesen, blätternd, nicht unbedingt von Deckel zu Deckel. So stößt man immer wieder auf grandiose kleine Miniaturen, die am besten sind, wenn sie einen Schritt aus der Realität hinaustreten in die Groteske, in eine düstere Albtraumwelt, die durch Pehnts heruntergekühlten, reduzierten Berichtstil (der Kafka-Effekt!) dann sogar noch an sinistrer Suggestivität gewinnen. (Piper, 17,99 Euro) FRANK SCHÄFER