The Hold Steady :: Teeth Dreams
Als hätte es die Siebziger nie gegeben: Feierliche Gitarrensoli und poetischer Realismus zwischen Foo Fighters und Journey
2010 entschied Multiinstrumentalist Franz Nicolay sich, eigene Wege zu gehen – und zwang The Hold Steady zu einer Zäsur. Für die folgenden Tourneen erweiterte die Band aus Brooklyn ihr Line-up zunächst um den Gitarristen Steve Selvidge und den Keyboarder Dan Neustadt, doch nur der Gitarrist blieb. Die Band spricht seitdem von einem neuen Sound und von neuen Möglichkeiten und hat die Aufregung in der Stimme, die man hat, wenn gerade etwas Spannendes passiert. Die Arbeit am nun vorliegenden Werk, „Teeth Dreams“, dauerte fast vier Jahre, auch das ist neu für die fleißigen New Yorker – das letzte, 2010 erschienene Album, „Heaven Is Whenever“, habe doch Spuren von Eile gezeigt, ließ die Band verlauten, man wolle sich lieber Zeit nehmen.
Die zwei Gitarristen dominieren „Teeth Dreams“, das ein großes Rockalbum ist. Das ganze Werk steht in einem nicht übertriebenen, aber doch deutlichen Hallraum, der an die fetten 70s-Livealben erinnert: Die Band rockt auf einer großen Bühne, die Menge wiegt sich in warmer Euphorie, die ganze Szene ist ein klassischer Rocktraum.
Am Anfang steht „I Hope This Whole Thing Didn’t Frighten You“, ein Lied über alte Freunde, die eigentlich nie wirklich Freunde waren. Die Band pumpt wie die Foo Fighters, die Gitarren schäumen und klingeln, Craig Finn erzählt eher, als dass er singt, ein bisschen wie Michael Stipe, so ist das in dieser Band. Das folgende „Spinners“ nimmt die Geschwindigkeit auf, Finn singt über eine Frau aus „some prairie town“, die sich ins Nachtleben der großen Stadt stürzt und sich darin verliert. Dann kommt ein Gitarrensolo, wie es einst Neil Schon in den Stadionrock von Journey gespielt hat. Vier, fünf Lieder haben ungefähr dasselbe Tempo, das Album verdichtet sich zu einer einzigen Erzählung von der großen Stadt, von Angst und Hoffnung der kleinen Leben, die Finn mit poetischem Realismus beobachtet. Ein Höhepunkt ist die Seventies-Rockballade „Ambassador“, die von einer feierlichen Schönheit durchzogen ist. Finn singt von Wänden, die nach brennendem Haar riechen, Nächten, die wie heiße Bügeleisen zischen, und Tagen, die dich zertreten wie eine Dose.
Am Ende steht ein neunminütiges Epos namens „Oaks“, ein Drogenmanifest, an dessen Ende jemand stirbt, jedenfalls vielleicht, genau lässt sich das nicht sagen. Finn findet Worte, in denen sich Freundschaft, Rausch und Tragik vermischen, das beherrscht er. „So call for a taxi/ Slide into the backseat/ It rolls like a glass-bottomed boat/ The kids on the corner when they reach in the window/ Their arms look like limbs from an oak.“ – „And we dream“, singt er am Schluss des Textes. And we dream.