The Notwist :: Close To The Glass
Experimente und Vertrautes: Die Weilheimer klingen freier denn je
Die Zeit, die seit dem letzten lupenreinen The-Notwist-Album vergangen ist, entspricht exakt der zwischen den letzten beiden Scott-Walker-Alben, sodass „Close To The Glass“ an sich schon eine Sensation ist. Sechs Jahre sind seit der stillen, in sich ruhenden Antithese zum Erfolgsalbum „Neon Golden“, „The Devil You + Me“, vergangen. In der Zwischenzeit haben sich die Beteiligten in unterschiedlichen Konstellationen bei anderen Projekten ausprobiert – bei 13&God und LaliPuna etwa und den grandiosen letzten Alben von Console und dem Tied & Tickled Trio. Vielleicht klingt „Close To The Glass“ deshalb offener und freier, als wir diese schon immer abenteuerlustige Band aus dem bayrischen Weilheim bisher kannten.
Das programmatisch betitelte „Signals“ erinnert an ein irr gewordenes Mobiltelefon, der nachfolgende Titelsong wirkt mit seinen perkussiv-stotternden Samples wie sein eigener Remix, „Into Another Tune“ klingt nach repetitivem Neu!-Minimalismus, es gibt Sonic-Youth-Noise („7-Hour-Drive“) und einen quietschenden, pluckernden Ambient-Track („From One Wrong Place To The Next“) – doch all diese Erweiterungen des Sounds werden durch Markus Achers unverwechselbaren, in seiner Lethargie seltsam berührenden Gesang zu Notwist-Tracks.
Zwischen die Experimente hat die Band immer wieder vertraut Klingendes gemischt – die Indie-Rock-Hymne „Konk“ erinnert an „One With The Freaks“, der verhuschte Folk „Casino“ und der elegische Elektro-Blues „Run Run Run“ wären auf dem letzten Album Höhepunkte gewesen. Nach dem pumpenden Krautrock-Instrumental „Lineri“ verabschieden The Notwist sich mit „They Follow Me“ – analoge Synthesizer und Streicher summen im Duett, das einem ganz ozeanisch zu Mute wird. So schön kann Freiheit klingen.