M.I.A.
Matangi
Universal
Als radikale Polit-Rapperin ergeht sich M.I.A. nur noch in Klischees – aber ihre exotischen Beats sorgen für tolle HipHop-Momente
Mathangi „Maya“ Arulpragasam ist eine Nervensäge, und im Unterschied zu früher halte ich das heute kaum noch aus. Nach all dem lautstarken Verbalradikalismus, den ständig in Kameras gereckten Mittelfinger, der Ranschmeiße an Wikileaks und jede andere Form von hippem Protest, wünsche ich mir von M.I.A. einfach nur noch Musik. Oder ist das bereits Zensur?
„Matangi“ ist im Vergleich zum rüde bollernden Vorgänger „Maya“ ein eher feminines, fast spirituelles Album geworden. An einigen Stellen fallen einem sogar Kolleginnen wie Sheila Chandra und Anoushka Shankar ein. Der langjährige Produzent und Beats-Lieferant Switch ist auch diesmal wieder dabei. Doch statt Schläge in die Fresse gibt es jetzt höchstens noch ein paar Klapse auf den Po.
„Live fast, die young/ Bad girls do it well“, rappt M.I.A. in „Bad Girls“, dem „Hit“ des Albums. Das dazugehörige Video von Romain Gavras zeigt Autokunststücke, wie man sie aus alten Dr.-Dre-Clips kennt, nur dass das alles nicht in L.A., sondern irgendwo in der Wüste stattfindet – es folgt einem globalisierten Pippi-Langstrumpf-Prinzip: „Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.“ Stolze Araber-Hengste, PS-starke BMW-Limousinen und Tanzszenen à la Bollywood sollen von einem neuen weiblichen Selbstbewusstsein berichten. Doch mit dem realen Leben (und Kämpfen) muslimischer Frauen hat das alles nichts zu tun. Da wünscht man sich die Klugheit einer arabischen Sängerin wie Yasmine Hamdan.
„Bring The Noize“ ist wüstenstaubtrockener HipHop, „Exodus“ eine etwas lahme Zusammenarbeit mit The Weeknd, in der keiner der beiden Künstler seine Stärken ausspielen kann. Natürlich gibt es immer wieder gelungene Momente, in puncto Leidenschaft und Verwertung exotischer Beats im HipHop-Kontext macht M.I.A. so schnell keiner was vor. Trotzdem verkörpert sie die weibliche Variante eines Auslaufmodells: der ewige Rebell, 24 Stunden im Einsatz, immer radikaler als der Rest – und damit ein fürchterliches Klischee. Aber muss man dann auch noch eine Mode-Kollektion für Versace entwerfen, bei der bereits ein „Unisex Printed Shirt“ 295 Pfund kostet? Doch wir wissen ja längst: „Bad Girls“ wie M.I.A. kommen überall hin.