Vor 24 Jahren: „Kid A“ von Radiohead geht auf Platz 1 der US-Charts

Auf ihr bisher bestes Album "OK Computer" antworten Radiohead drei Jahre später mit ihrem neuen besten Album: "Kid A".

„Ah! Endlich, Gitarren!“ – Drei Songs und 15 Minuten mussten Radiohead-Fans der alten Schule warten, bis in „How To Disappear Completely“ erstmals die Akkorde eines Sechssaiters zu hören sind. Für alle anderen galt: Bereits in den 15 Minuten der ersten drei Lieder hat die Band ihre bisher beste Viertelstunde abgeliefert.

Mit ihrem vierten, im September 2000 veröffentlichten Album prägten Radiohead die Bezeichnung „To Do A Kid A“. Was so viel heißt, wie: Auf ein traditionelles, überaus erfolgreiches Rock-Werk (in diesem Fall „OK Computer“, 1997)  eine Platte aufzunehmen mit größtmöglichen Experimenten sowie geringst möglicher Ähnlichkeit zum Backkatalog. „Kid A“ ist jetzt 24 Jahre alt, und immer noch schwirren diese Klänge in unseren Köpfen herum.

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Opener der Platte ist „Everything In It’s Right Place“, das mit Rock nicht mehr viel zu tun hat. Es besteht aus der Musik eines Synthesizers, eines Sequenzers sowie Thom Yorkes gepitchter Stimme. „There Are Two Colors In My Head“, singt Yorke mit Blick auf die neue Stilrichtung, als Vision für die Band.

Wunsch nach einer „Ordnung der Dinge“

Der Wunsch nach einer „Ordnung der Dinge“ findet eine Entsprechung im Songtitel „Everything In It’s Right Place“; Thom Yorke war zum Zeitpunkt der Platte seit fünf Jahren ein Star und hatte bereits die Schnauze voll davon. Das Thema ließ den damals 32-Jährigen nicht los, er kam einem schon vor wie ein zweiter Kurt Cobain.

Die Verweigerung taucht später noch ein weiteres Mal auf, im oben genannten „Gitarren“-Song „How To Disappear Completely“. Als eines der wenigen Stücke im Radiohead-Repertoire jedoch ist „Everything“ in der Studioversion besser als live. Schlagzeug und Bass arbeiteten sich auf Tournee Abend für Abend an der elektronischen Rhythmus-Maschine ab. Keine Chance.

Im Titelstück wiederum setzt Yorke unverständliches Genuschel einer Krautrock-Melodie entgegen, dargebracht von Glockenspiel und Vibraphon, die auf Percussions trohnen. Das Ganze klingt wie ein Spielmannszug auf Acid.

Ein Crescendo aus Bläsern

Den Vogel abschießen jedoch tun Radiohead mit dem dritten Song, „The National Anthem“. Das Bass-Riff soll, so will es die Legende, noch aus Yorkes Schulzeit stammen – was immerhin eine Brücke bildet zu dem, was sich in den sechs Minuten dieser „Nationalhymne“ abspielt.

Ein Crescendo aus Bläsern; Jazzrock, falls man sich auf einen Begriff versteifen möchte, in dem scheinbar chaotisch Millionen Liter Luft durch Trompete, Saxofon, Posaune und Co. gejagt werden, es letzten Endes jedoch genug Raum gibt für jeweils ein eigenes Solo dieser Instrumente. Yorke sagte, er sei hierfür von Charles Mingus beeinflusst worden.

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„Idiotheque“ ist eines der bis heute vielleicht seltsamsten Lieder der Band. Könnte einen der Titel noch glauben lassen, Thom Yorke fühle sich unwohl mit dem Disco-Rhythmus, geht es im Stück womöglich um größerer Probleme. Vielleicht um den Hedonismus einzelner Mächtiger, unbeachtet existierender Kriege und bevorstehender Ökokatastrophen („ice age coming“).

Singles hätte aus aus „Kid A“ mehrere geben können, die Band aber wollte keine veröffentlichen. Das Album schaffte es auch so auf Platz eins der Charts in den USA und dem Vereinten Königreich. Von diesem Zeitpunkt an gelten Radiohead bis heute als intelligenteste, nun, Stadionband.

So intelligent, originell und ungewohnt das Album ist, eine kleine Schwäche konnten sich Radiohead nicht verkneifen. Wie schon in so vielen Abschluss-Songs populärer Alben endet „Kid A“ in „Motion Picture Soundtrack“ mit der Phrase, die schon so viele Bands verwendet hatten und immer noch verwenden: „I Will See You On The Other Side“.

Um quasi eine Art Transit-Gefühl beim Hörer herstellen, damit man weiß: Die Sache hier ist noch längst nicht zu Ende.

Vielleicht hatten ja Arcade Fire zugehört, die laut US-ROLLING-STONE mit „Reflektor“ ihr eigenes „Kid A“ veröffentlichen würden. Deren Sänger Win Butler fragt darin rückversichernd: „Will I See You On The Other Side?“.

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