Wer ist sie? Und wenn nein, wie viele noch? Die Glam-Pop-Queen von „Ooh La La“ oder die Truck-Domina aus „Rocket“ ist Alison Goldfrapp jedenfalls erneut nicht mehr. So als wäre das doppelköpfige Cover des epochalen Debüts „Felt Mountain“ frühes Karriere-Programm gewesen, sagen sie und ihr Musikpartner Will Gregory dem vordergründigen, disco­tauglichen Electronica-Bombast von „Head First“ (2010) oder „Super­nature“ (2005) mal wieder adieu – und schlagen die Volte zum sanfteren „Seventh Tree“ (2008) und den Anfängen von 2001. Also: schwelgerische Klänge in Cinemascope zu intimem Sirenengesang und John Barry und Bernard Herrmann statt Erasure und ABBA.

Die Sängerin tastet sich aus dem Scheinwerferlicht heraus, das Gesicht im Halbdunkel, die Schultern hochgezogen, die Fäuste geballt. Die zehn düsteren Geschichten, die sie hier zu erzählen hat, handeln von Gefühlen im Breitwand-Format, von verhängnisvollen Affären, von Sehnsüchten und Fantastereien, von Liebe, Hass und Mord. Wie eine multiple Persönlichkeit schlüpft Goldfrapp von einer Haut in die nächste, ist mal Mann und mal Frau, mal leidendes Opfer und mal gnadenloser Täter. Ihr Horror entsteht nicht durch herumfliegendes Gedärm, sondern spooky im Kopf­kino. „I feel the cold arrives in my bones“ („Drew“), singt sie.

In diesen zäh fließenden, repetitiven Melodien, in denen luxuriös orchestrierte Klänge auf- und wieder verblühen, werden die gewisperten, geraunten und geflüsterten Storys um „Jo“ und „Annabel“ , „Ulla“ und „Laurel“ oder um den Unglücklichen und seinen toten Freund „Clay“ zu hypnotischen Mini-Movies. „Want you down, want you dead“, geifert der untreue Ehemann in „Thea“,  der Puls trommelt, verzweifelt girrt eine hohe Stimme, und am Ende stapfen schwere Schritte über die Leinwand. Popcorn? Nein, danke.