Marianne Faithfull Broken English :: Noch ein Dokument rigoroser Transformation, noch immer bewegend, was die Aussagen der Songs und den Ausdruck von Faithfulls Gesang betrifft, indes schlecht gealtert in Bezug auf Sound und tonale Anmutung. Öde Synth-Flächen und anämische Reggae-Beats gehören zu den Sünden einer Klangarchitektur, die ganz auf elastisches Plastik setzte, ungeachtet der verhandelten Tragödien. Die Künstlerin war ja eben erst diversen Höllen entronnen, war von Sucht und sexueller Depravation gezeichnet. Die Worte, die sie fand, um ihre Dämonen auszutreiben, ließen nichts an Deutlichkeit vermissen. „Why D’Ya Do It?“ schockierte und schnürt noch heute die Kehle zu, bleibt auf der musikalischen Ebene aber seltsam ambivalent, schafft es nicht, der ungeschützt nackten Sprache ein adäquates Tonkleid umzuhängen. Lennons „Working Class Hero“ kommt da besser weg, auch „The Ballad Of Lucy Jordan“ wurde passender arrangiert, dennoch bleibt ein zwiespältiger Eindruck. (Audio Fidelity)
Sun Records in Memphis operierte regional, auf die Südstaaten beschränkt, und war logistisch überfordert, als die Nachfrage nach den Platten aus der Rockabilly-Schmiede landesweit anzog. Vor allem deshalb verkaufte Sam Phillips sein bestes Pferd namens Elvis an RCA. Zwei Jahre danach musste Sam Phillips auch Johnny Cash ziehen lassen. Der unterschrieb bei Columbia und nahm 1958 diese, seine dritte LP auf, zum großen Teil auf Material rekurrierend, das er wohlweislich aufgespart hatte. Darunter mit „I Still Miss Someone“ eine herzergreifende Sehnsuchtsballade an die Adresse von June Carter, und mit „Don’t Take Your Guns To Town“ ein Song von deprimierend anhaltender Aktualität in einem Amerika, das heute waffenstrotzender ist als in den Fünfzigern: „A boy filled with wanderlust who really meant no harm“, beginnt das tödlich endende Lehrstück, als Single ein Hit, als Botschaft in den Wind gepisst. An Cashs Seite tönt das vertraute Boom-Chick-A-Boom der Tennessee Two, freilich etwas entschärft und mit Pop-Politur gewienert. Das Reissue basiert auf den originalen Mono-Masters, die Pressung ist tadellos. (Columbia/RTI)
Es war eine so plötzliche wie radikale musikalische Metamorphose, mit der die Moody Blues 1967 nicht wenige ihrer Fans verprellten, freilich viel mehr dazugewannen. „Nights In White Satin“ realisierte den Zeitgeist so perfekt wie sonst nur noch „A Whiter Shade Of Pale“, hatte jedoch nichts mehr gemein mit jenem Verschnitt aus Beat und Rhythm & Blues, den die Moodies in den Jahren davor durchaus erfolgreich gepflegt hatten. Nun traten sie konzertant auf, mit symphonischem Pomp, im Rücken den enormen Klangkörper des London Festival Orchestra, im Kopf Ideen, die seinerzeit verblüffen mussten, heute für Kopfschütteln sorgen. „They have extended the range of pop music“, so die Liner Notes, „and found the point where it becomes one with the world of classics.“ Heilige Einfalt! Doch es funktioniert, weil diesem Aufbruch so viel Unschuld innewohnt, weil die Musik einen ungezwungen stimmigen Fluss hat, weil die Poesie sturznaiv ist. „Cold hearted orb that rules the night“, so hebt es an, das Ende wird gnädig in weißen Satin gehüllt. Sie markiere den Anfang des Prog Rock, wird dieser LP gern zum Vorwurf gemacht, doch ich erkenne auf beschränkte Schuldfähigkeit. Wie hätten sie denn ahnen können, in welche Abgründe ihre arglose Versuchsanordnung führen würde? Audiophile Pressung, unter Verwendung der Deram-Masters. (Friday)