The Defenestration Of St Martin :: Der Piano-Pop des Ex-Gene-Sängers bringt Männer zum Weinen
Die Rückkehr eines verkannten Genies! In der Blütezeit des Britpop galt Martin Rossiters Band Gene – trotz einer Million verkaufter Tonträger stets in der zweiten Reihe hinter Blur, Oasis und Pulp – völlig zu Unrecht als so etwas wie eine billige Kopie der Smiths. Dabei verfügte sie über noch mehr Tiefgang und manche Melodie, die sich als larger than life gebärdete.
Dann: Bandsplit. Vaterschaft, Depressionen. Die durchschrittenen Täler verarbeitet der als Musiklehrer in Brighton lebende Rossiter nach acht Jahren Schweigen nun, indem er sich von jeglichem musikalischen Ballast trennt, sich nur noch selbst am Piano begleitet und Ballade an Ballade reiht. Jede einzelne davon lässt Coldplay-Sänger Chris Martin gefühllos wie ein Holzscheit dastehen (und so leicht ist das dann ja doch nicht). Der gebürtige Waliser, der bereits zu Gene-Zeiten aus seiner Bisexualität keinen Hehl machte, gibt sich dabei jedoch beileibe nicht „schändlich versöhnlich“ wie Peter Handke mit 70 Jahren. „The only thing I got from you was my name“, singt er über seinen eigenen Vater, „you broke our hearts, and I will never forgive all of the things you did …“
Manchmal bricht dann die Drama Queen aus ihm heraus – der Griesgrämigkeit entkommt er immer noch gerade rechtzeitig mit der entscheidenden Prise Selbstironie und schwarzen Humors. Zeilen wie „I must be Jesus, there’s no other explanation for this pain, I’ve been put on earth to suffer for no reason …“ sind natürlich nicht hundertprozentig ernst zu nehmen. Im Gegensatz zum ursprünglichen Arbeitstitel des Albums: „Songs To Make Grown Men Cry“.
Im Outro des letzten Stücks „Let The Waves Carry You“ wird schließlich doch noch kurz gerockt. Ein möglicher Hinweis, dass Martin Rossiter im Besitz einer Rückfahrkarte ist? Er könnte natürlich noch einen drauf setzen und beim nächsten Mal die Streicher für ihn seufzen lassen. (Drop Anchor /Rough Trade) Frank Lähnemann
John Grant