Nó Na Orelha :: Aufbruchsstimmung in Brasilien: Ein Rapper wird zum Superstar
Popmusik aus Brasilien hat seit der Bossa-Nova-Welle der 60er-Jahre immer wieder neue Zyklen der internationalen Aufmerksamkeit erfahren. DJs mit breitem Horizont wie der Londoner Eklektizismus-König Gilles Peterson integrieren seit der kurzen Ära des Acid-Jazz wie selbstverständlich brasilianische Produktionen in ihr Programm. Es ist dieser Austausch mit Europa und den USA, der die vielschichtige Szenerie des Landes über die ohnehin unglückliche Wischi-Waschi-Bezeichnung „World Music“ hinaushebt. Während Musiker wie Antonia Carlos Jobim, Caetano Veloso oder Sergio Mendes für schillernde Karrieren stehen, ließ sich etwa der polyphone Rhythmus des Samba trefflich in den digitalen Drum-and-Bass-Kosmos der späten Neunziger integrieren. Zuletzt wurde der 1998 verstorbene Soulman Tim Maia von der „New York Times“ bis zur „taz“ (wieder-)entdeckt.
Nun steht ein neuer Schub bevor: Wiederveröffentlichungen und neue Produktionen werden in den Kontext der aufstrebenden Wirtschaftsmacht gestellt, die Ausrichter der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Spiele 2016 ist. Einmal mehr sorgt Pop für den Soundtrack des gesellschaftlichen Umbruchs. Auf dem Werbeaufkleber auf dem Cover des aktuellen Albums des Rappers Criolo wird Altmeister Veloso mit den Worten zitiert: „Die wichtigste Figur in der heutigen Popszene Brasiliens“. Ein 36-jähriges Multitalent, das aus den verarmten Außenbezirken von São Paulo stammt und in seinem Land längst ein Megastar ist.
Als Chronist der harten sozialen Gegensätze singt und rappt er über Mord, Totschlag und die Produkte der deutschen Waffenschmiede Heckler & Koch. Dabei sind die Songs von Criolo weit mehr als nur brasilianische Versionen des Gangster-Rap. Er verknüpft soulige Elemente mit Samba und Afrobeats und avanciert damit zum eigenständigen Soundkünstler. Nach seinen Konzerten im Herbst 2012 ist Criolo auch hierzulande kein Unbekannter mehr. Er ist auf dem besten Wege, die Tradition eigenständiger Musik aus Brasilien fortzuführen. (Sterns Brazil) Ralf Niemczyk
Huey And The New Yorkers