Jim James Regions Of Light And Sound Of God
Surreale, sakrale Lieder von Leben und Tod: das Solodebüt des My-Morning-Jacket-Frontmannes
1929 veröffentlichte der US-Amerikaner Lynd Ward die erste Graphic Novel der USA, „God’s Man“. Die Sammlung von Holzschnitten erzählt die Geschichte eines Malers, der einen Pakt mit dem Sensenmann schließt, um endlich erfolgreich zu sein. Der Mann besinnt sich später eines Besseren, wird aber trotzdem vom Tod eingeholt. Dieses Buch ist die Vorlage für das erste Soloalbum von Jim James, hauptberuflich Sänger und Songwriter bei My Morning Jacket. Vielleicht ist es die (wohl auch 1929 schon) altertümliche Ästhetik des Holzschnitts, die James gefällt – schließlich ist ja auch sein eigenes Handwerk an alten Tugenden orientiert. Vielleicht ist es aber auch das spirituelle Thema der märchenhaften Erzählung vom verirrten Künstler, das James interessiert. Die Lieder tragen Namen wie „All Is Forgiven“ und „God’s Love To Deliver“, der Grundton ist sakral introvertiert. Das ist freilich die Art des Sängers, der auch bei My Morning Jacket häufiger etwas Entrücktes, Spirituelles schreibt.
„Regions Of Light And Sound Of God“ entstand über einen Zeitraum von zwei Jahren größtenteils in James‘ Heimstudio in Louisville, Kentucky. James spielt fast alle Instrumente selbst, wollte eher Klangcollagen als konzise Lieder entwickeln und seine Songs an Orte führen, an die sie eigentlich nicht gehören. Was das meint, hört man zum Beispiel an „I Didn’t Know Til Now“, das als verinnerlichter Northern Soul beginnt, dann aber überraschend zu einer Lo-Fi-Jazz-Kontemplation mit brüchigen Beats und Sample-Saxofon wird. Toll! „A New Life“ ist eigentlich Songwriter-Folk, doch nach etwa einer Minute beginnt James von vorn, jetzt mit romantischer 60s-Rock’n’Roll-Begleitung. Durch das Vermischen der Verweise und Herkünfte entsteht tatsächlich etwas Neues, als würde James zwei, drei musikalische Erinnerungen gleichzeitig träumen. Bei vier, fünf Liedern spielen Bass und Schlagzeug entspannt und fast schmusig groovenden 60s-Soul-R&B, den James freilich variiert und zitiert. Gelegentlich klingt „Regions“ wie der Remix eines vergessenen Soloalbums von John Lennon.
Das Collagenhafte, das James angekündigt hatte, prägt zum Beispiel „All Is Forgiven“, eine schwebende, surreale, halluzinierende Exkursion mit orientalischen Harmonien und fliegenden Klangteppichen. Das schönste Lied des Albums kommt ohne Gesang aus: „Exploding, Exploding, Exploding, Exploding, Exploding“ ist ein berührendes Instrumental aus gezupfter akustischer und einer jener fabelhaften psychedelischen E-Gitarren, die James zu einem Helden seines Fachs gemacht haben.
„Regions Of Light And Sound Of God“ solle den Menschen helfen, sagt der Künstler. Wir nehmen das Angebot gern an. (Cooperative) jörn schlüter