Without A Net :: Der große Saxofonist kehrt mit harter Kost zu Blue Note heim
Wenn der Saxofon-Gigant Wayne Shorter, der zuletzt 2003 und 2005 Alben auf Verve veröffentlicht hat, nach 43 Jahren zu Blue Note zurückkehrt, liegt Nostalgie nahe. Hier hat er in der ersten Hälfte der Sechziger seine Aufnahmen mit Art Blakeys Jazz Messengers gemacht, bis ihn Miles Davis in sein legendäres „zweites Quintett“ holte. Unter eigenem Namen blieb Shorter von „Night Dreamer“ bis Anfang der 70er-Jahre dem Label treu. Und dennoch: Mit Nostalgie hat das Album des bald 80-Jährigen nicht das Geringste zu tun. Dies wird selbst dann deutlich, wenn er neben vielem neuem Material den Song „Plaza Real“ vom Weather-Report-Album „Procession“ aufgreift. Schon 1983 fiel die Komposition als besonders offen angelegt etwas aus dem Rahmen. Nun mäandert sie noch freier dahin, als vergleichsweise konventionellstes Beispiel für jenes Prinzip, das Shorters Quartett zur spannenden Vision erkoren hat.
Statt Songs, wie sie bis heute die Grundlage jeder zweiten Jamsession unter Jazzern abgeben, bilden meist knappe Floskeln oder Riffs den Ausgangspunkt. Der Mann am Tenor- und Sopransaxofon kann sich darauf verlassen, dass Danilo Perez (p), John Pattitucci (b) und Brian Blade (d) ihm auf immer wieder neuen Wegen ins Abenteuer Improvisation „ohne Netz“ folgen. Weniger das individuelle Solo steht im Vordergrund. Es geht ums blitzschnelle Aufgreifen oft eigenwilliger Ideen, die in der Band spontan entwickelt werden, und um höchste wechselseitige Aufmerksamkeit. Hier werden Motive abseits sichernder Skalen und Akkordfolgen erkundet – starker Tobak also. Das strikt nach vorn orientierte Experiment dieses alten Herren lässt den Wagemut vieler Jüngerer harmlos wirken. (Blue Note) Klaus von Seckendorff
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