Gravel & Wine :: Überinszeniert: die quietschige Rock-Göre aus Neuseeland
Sie ist 26, „bezaubernd“ (sagt die PR), „äußerst begehrt“, „Neuseelands heißester Export“ und kann bei ihrer Europa-Offensive damit hausieren gehen, es mit einem Song aus ihrem zweiten Album „Gravel & Wine“ bereits in einen Werbespot zum aktuellen Bond geschafft zu haben. Mit „Man Like That“ soll der Absatz von Bier angekurbelt werden. Passt schon.
Virginia Claire Wigmore ist die attraktive, aber nicht klinisch hübsche Blonde von nebenan, die auch mal auf Kumpel und damit alle Jungs in der Nachbarschaft kirre macht, nur um dann doch mit einem dahergelaufenen Django durchzubrennen. Nicht ohne vorher an ein paar gottverlassenen Kreuzungen in Mississippi oder auch in der Kirche von Al Green vorbeigeschaut zu haben, landet sie dann in Los Angeles, wo ihr mit Butch Walker (Pink) und Jake Sinclair (Weezer) gleich zwei Studio-Pros beim Songschreiben assistieren und dann die Musik fast im Alleingang einspielen.
Die Songs heißen „Black Sheep“, „Poison“, „Kill Of The Night“, „Devil In Me“, „Dirty Love“ etc. pp. und klingen, wie sie heißen. So bedient Wigmore mit eher quietschiger als kreischiger Röhre alle Klischees von der guten, aber gefallenen Göre so gut, dass es schon bald ziemlich wehtut. Diese Frau will einfach zu böse sein, selbst wenn das alles nur ein Rollenspiel ist. Zwischen all dem aufgekratzten Retro-Blues-Soul-Verschnitt blitzt gelegentlich eine Songschreiberin hervor, die mehr sein könnte. Wenn sie, wie in „Saturday Smile“ oder „Singin‘ My Soul“, die Schlampen-Rüstung mal kurz ablegt und nur das will, was wir alle wollen – mit ein bisschen Liebe, ganz viel Sehnsucht und der Erinnerung an ein bestimmtes Lächeln dem Tod trotzen. (Universal) Jörg Feyer
Wayne Shorter Quartet