Primal Scream
More Light
Ignition/Indigo
Starkes Comeback von Bobby Gillespie – feat. Robert Plant
Hobby-Historiker behaupten ja, Goethes berühmte letzte Worte, nach denen Primal Scream ihr zehntes Album getauft haben, wären in Wirklichkeit nicht „Mehr Licht!“, sondern „Mehr nicht?“ gewesen. Mit einem „Mehr nicht?“ jedoch wird niemand das Comeback des Scream-Teams aburteilen. Was für eine eindrucksvolle musikalische Hetzjagd, auf die uns Bobby Gillespie und Andrew Ginnes, übrig gebliebenes Bodenpersonal des Creation-Labels (Gillespie begann als Drummer bei The Jesus & Mary Chain, Ginnes als The Revolving Paint Dream) scheuchen!
Die Erfinder-Plakette winkt dabei nicht zwingend als Preis, der bandeigene Fleischwolf aber erweist sich mehr als patentwürdig: Das, was Gillespie selbst „Ecstatic Utopian Rock’n’Roll“ nennt, setzt sich zusammen aus New und No Wave, Krautrock, Death Disco, Vaudeville, Slacker Blues – ist mehr PiL als Sex Pistols, aber wiederum auch mehr Jah Wobble solo als PiL. Im Sumpf wird mal sanft, mal unsanft gegroovt, dazu gesellen sich symphonische Ausreißer – über alles legt Produzent David Holmes seine heilenden Hände. Das dissonante Saxofon-Thema von „2013“, das Kernstück über den Tiefschlaf der Jugendkultur, greift die Kühle und Coolness früher Roxy-Music-Songs und der Psychedelic Furs (deren Revival für dieses Jahr hiermit vorausgesagt sei; siehe auch Westbam) der „Forever Now“-Phase auf, „Hit Void“ lässt die Traumsequenz eines Zusammentreffens von Doves und The Jesus & Mary Chain Wirklichkeit werden. Und dann noch diese Krönung: Dass sich 27 Jahre später Robert Plant als ihr Fan outen und sie mit Backing Vocals im Studio unterstützen würde, hätten sich Primal Scream bestimmt nicht träumen lassen, als sie in den 80er-Jahren mit Jingle-Jangle-Sound starteten, bevor sie zwischenzeitlich tatsächlich die Byrds wurden. Weitere Gäste zum Bestaunen: die No-Wave-Ikonen James Chance und Mark Stewart. Mehr … geht … nicht!
Mit dem Gospelrock von „It’s Alright, It’s OK“, der an Band-Klassiker wie „Come Together“ anknüpft, schließt sich der Kreis. Nie waren Primal Scream seit „Screamadelica“ so wertvoll wie heute. Während aber der Meilenstein von 1991 die Platte zum Rave-Wochenende repräsentierte, besteht „More Light“ auch im tagtäglichen Überlebenskampf. So klingt er, der Rock’n’Roll im Jahre 2013, gespielt von der ältesten jungen Band der Welt.