Love Is The Cure :: von Elton John

Ein anderes Leben

Jeder, wirklich jeder Rockstar schreibt heutzutage eine Autobiografie – auch wenn er sich (wie Keith Richards oder Steven Tyler) an große Teile des eigenen Daseins gar nicht erinnern kann, wenn er (wie Bob Dylan) wenig Interesse an der sogenannten Wahrheit hat oder wenn er kaum Aufregendes zu erzählen weiß – wie fast alle anderen, abgesehen von den diversen Ex-Mitgliedern von Guns N’Roses. Man muss Elton John also schon mal dankbar dafür sein, dass seine zugegebenermaßen bunte Lebensgeschichte in seinem ersten Buch nur am Rande vorkommt. Seine trockenen Berichte von Bulimie und Sexsucht, exzessivem Drogen- und Alkoholkonsum dienen nur dazu, sich selbst zu geißeln: Viel früher hätte er etwas gegen AIDS unternehmen müssen, viel zu lange habe er sich, während die Krankheit immer mehr seiner Freunde tötete, nur um sich selbst gekümmert. Bis Ende der 80er-Jahre, um genau zu sein.

Elton John, 65, ist auf einer Mission – seit 20 Jahren, seit er trocken ist. Schon der Untertitel lässt da keinen Zweifel: „Über das Leben, über Verlust und wie wir AIDS besiegen können“. Dafür drückt er zuerst ungeniert auf die Tränendrüse, indem er noch einmal ausführlich das Leben von Ryan White würdigt, der 1985 als 14-Jähriger seine Krankheit öffentlich machte und dann auch noch unter Ignoranz und Hass leiden musste. Er glorifiziert den Jungen zum modernen Jesus Christus und kanzelt nebenbei sich selbst immer wieder ab – und gerade als man denkt, jetzt reicht es aber auch mal, ändert sich der Ton des Buches nach und nach. Wie ein Rattenfänger (oder ein Michael-Moore-Film) holt er sich die Aufmerksamkeit seines Publikums: erst das Gefühlige, dann die Tatsachen. Elton John beschreibt die Arbeit seiner Stiftung, er zeigt Probleme und Lösungsmöglichkeiten auf. Er habe die Weisheit nicht gepachtet, betont er immer wieder, aber er hat sich verdammt genau informiert. Mich hat er jedenfalls davon überzeugt, dass eine Welt ohne AIDS tatsächlich möglich wäre. Dafür lese ich auch gern ein paar irritierend unkritische Erinnerungen an Michael Jackson und allzu schwülstige Lobreden auf Lady Diana. Die waren von dem Mann, der damals „Goodbye, English Rose“ gesungen hat, ja zu erwarten. Dass seine beiden großen Lieben (die Musik und David Furnish) nur am Rande vorkommen und der Egozentriker ein weitgehend uneitles Buch schreiben könnte, nicht unbedingt. (Hoffmann und Campe, 19,99 Euro) bf

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