Pet Shop Boys :: Elysium
Fast ein Requiem: Neil Tennant sucht das Paradies und ätzt gegen den Kunstbetrieb
Sagen wir es mit gebotenem Understatement: Zu diesem Zeitpunkt ihrer Karriere könnte es nicht schaden, wenn den Pet Shop Boys noch ein melancholisches Großwerk, ein elegischer Abgesang gelingen würde. So etwas wie die romantische, aber kalt beobachtete Bilanz der Jahre von Gilbert und George, Lucian Freud und Damien Hirst, von Alexander McQueen und Tracey Emin, Christopher Hitchens und Martin Amis, Derek Jarman und Peter Greenaway. Einige von ihnen sind bereits tot, wie Neil Tennant es in „Being Boring“ vorwegnahm. Diese Londoner Bilanz gibt es tatsächlich auf „Elysium“ – es ist der letzte Song, „Requiem In Denim And Leopardskin“: „I thought it was like a film/ Reviewed but never seen/ Where everybody played themselves/ As a drama king or queen“ – die Musik „overwhelming glittering and thin, solemn and shabby like a requiem in denim and leopardskin“.
Abschied schwingt mit, wenn die letzten Überlebenden des Charts-Pop der 80er-Jahre schon eingangs befinden: „Our love is dead/ But the dead don’t go away/ They made us what we are/They’re with us every day.“ Ins Träumerische, Sehnsuchtsvolle schwebt „Invisible“: „I’m here but you can’t see me“ – das wirkt wie ein Zaubertrick aus einem der englischen Filme von Woody Allen. Doch Neil Tennant hat auch schärferes Besteck in Gebrauch und amüsiert sich in „Your Early Stuff“ über eines der Kapitalklischees des Kunstbetriebs und der leeren Konversation: „You’ve been around/ But you don’t look too rough/ And I still like your early stuff/ It’s bad in a good way.“ Noch ätzender ist „Ego Music“, das Selbstgespräch eines eitlen Schwadroneurs: „I see myself as building/ My mind is the office/ Where the work gets done/ There’s a nightclub in the basement/ When I need some fun/ And in the penthouse later/ That’s where the magic happens!“ So qualmt es noch eine Weile weiter bis zu der Stanze „My commitment is to my career/ And then giving something back“. Wie oft müssen Neil Tennant und Chris Lowe solches Geschwätz gehört haben? Sie sind nach Berlin geflohen, wo natürlich ebenso dummes Zeug geredet wird – das sie aber oft nicht verstehen müssen.
Der Produzent Andrew Dawson hält die mittlere Tempo- und Tonlage, ein paar grellere Stücke wie „Winning“ und „Face Like That“ nehmen den Platz ein, den früher die Hits innehatten. Der musicalhafte Bombast des letzten Albums wich dem Stoizismus von Harold Faltermeyer, der schon das Meisterwerk „Behaviour“ einrichtete. Mit „Memory Of The Future“ und „Everything Means Something“ ist das Album leider etwas zu gebläht, bevor das Requiem mit Streichern, „Copacabana“-Percussion und Bläserfanfaren den Schwanengesang anstimmt. Und das ist es dann, das „Elysium“ der Pet Shop Boys.
Früher staunten wir über die unbewegten Dichter der „West End Girls“. Dann schwelgten wir in der absoluten Gegenwart von „Bilingual“ und gewöhnten uns an geschäftsmäßige Platten. Nun umtreibt uns nur eine Furcht: dass die Pet Shop Boys irgendwann verschwinden könnten. (EMI)
Beste Songs: „Invisible“, „Requiem In Denim And Leopardskin“