Das brennende Archiv :: von Thomas Kling
Sieben Jahre ist es her, dass der Lyriker, Sprachforscher/-besessene/-performer Thomas Kling starb. "Wenn man nicht seinen Frieden damit schließt, dass die Arbeit Fragment bleiben muss", hat er in einem seiner letzten Interviews gesagt, "dann hat man nichts verstanden." Seine Witwe Uta Langanky und der "Schreibheft"-Herausgeber Norbert Wehr haben sehr wohl verstanden und erheben in diesem Band mit unveröffentlichten und entlegen publizierten Gedichten, Essays, Briefen, Handschriften, Fotos und Gesprächen keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
„Das brennende Archiv“ ist keine historisch kritische Ausgabe, sondern ein Band zum Stöbern, dem nichts Akademisches, Museales anhaftet. Es ist ein anregendes Gespräch mit dem Dichter, eine Sammlung von Hingeworfenem und Worten für die Ewigkeit, Polaroids und abstrakten, vielschichtigen Gemälden. Man entdeckt dabei Klings Vielseitigkeit, aber auch seine Widersprüche, seine Melancholie und seinen oft subtilen Witz. Man trifft auf den Auseinandernehmer und auf den Zusammendenker Kling, auf den Intellektuellen, der sich flink durch ein Netz von Referenzen bewegt, und auf das Kind, das Wörter spuckt wie Kirschkerne. „Er konnte sanfter Lehrer, gewiefter Expeditionsleiter, Berggeist sein“, erinnert sich sein Freund, der Schriftsteller und Lyriker Marcel Beyer, im Nachwort. „In meinen Träumen/ drehe ich das augnlicht auf fahl!“, schrieb Thomas Kling, der die erste Person meist mied, in einem seiner letzten Gedichte. Im Traum mag sich sein Blick verklärt haben, im Wachzustand sah er bis zuletzt klarer als wir. (Suhrkamp, 12,99 Euro) Maik Brüggemeyer