3 Zimmer/ Küche/ Bad :: Regie: Dietrich Brüggemann
Der junge Regisseur Dietrich Brüggemann hat mit „3 Zimmer/Küche/Bad“ ein Generationenporträt gedreht. Aber keine Angst, es ist wirklich gut getroffen.
Den jede Woche erscheinenden Zeitschriften und Romanen nach zu urteilen, hat noch keine Generation so viel über sich nachgedacht wie die der heute Anfang-zwanzig- bis Mitte-dreißig-Jährigen. Man nennt sie die „Generation Praktikum“ oder die „Neon-Jugend“, sie haben sich in der Vorläufigkeit und der Zwischenlösung eingerichtet, sind Spielbälle der Verhältnisse, auf der Suche nach sich selbst – oder wenigstens einem festen Job. Man rollt schon mit den Augen, wenn wieder jemand ein „Generationenporträt“ ankündigt. Doch der deutsche Film habe sich dieses Themas seltsamerweise bisher kaum angenommen, sagt der 36-jährige Regisseur Dietrich Brüggemann. „Dort geht man gern an die Ränder der Gesellschaft, hat aber einen merkwürdig blinden Fleck, was das eigene Leben angeht. Den ganz normalen Mittelstand. Wir sehen im deutschen Kino Nazis, Witzfiguren, Genre-Abziehbilder, liebenswerte Kleinbürger und wortkarge Kunstfiguren. Uns selbst sehen wir nicht. Dabei ist diese Introspektion ein unverzichtbarer Zweig der Filmkunst. Das französische Kino funktioniert zu großen Teilen so. Woody Allen macht die ganze Zeit nichts anderes.“
Allens „Hannah und ihre Schwestern“ sei auch der Leitstern gewesen für seinen Film „3 Zimmer/Küche/Bad“, der Anfang Oktober ins Kino kommt. Wie sein Vorbild begleitet Brüggemann drei Geschwister – Philipp, Wiebke und Swantje –, ihre Freunde, Partner und Eltern durch Sommer, Herbst, Winter und Frühling. Wir sehen, wie sie sich streiten und trennen, finden und lieben – vor allem aber, wie sie umziehen. „Irgendwann fiel mir auf, dass ich fast jedem meiner Berliner Freunde mindestens einmal beim Umzug geholfen hatte. Dass ich aber auch mit Freunden, Geschwistern und Hausrat quer durch Deutschland gefahren war“, erklärt Brüggemann die Inspiration für den Film. „Und dass das bleibende Erinnerungen sind – all diese leergeräumten Wohnungen, vollgeräumten LKWs, das gemeinsame Schleppen der Waschmaschine, das anschließende Abhängen auf Matratzen und Möbeln, Tage auf der Autobahn. Es sind Erinnerungen, die lebendiger bleiben als allerhand Freizeitaktivitäten und so manche Urlaubsreise.“
Man ist gleich drin in diesem Film, weil man tatsächlich in ihm herumläuft wie in einer noch nicht allzu alten Erinnerung. Auch die Typen glaubt man alle zu kennen – die Mädchen, die sich nicht festlegen wollen, die Jungs, die sich immer in die Falsche verlieben, die Vielbeschäftigten und Nebeneinanderherlebenden, für die die Paarbeziehung nur ein Projekt unter vielen ist, und natürlich die Eltern, die sich als Alt-68er betont jugendlich, verständnisvoll und auf der Höhe der Zeit geben und zugleich mit ihren Lebenslügen zu kämpfen haben.
Die Rolle habe keine große Vorbereitung gebraucht, sagt Jacob Matschenz. Der 28-Jährige spielt die zentrale Figur des Philipp, einen angehenden Fotografen zwischen Praktikum und Studium, der – wie der Vater seines Freundes Thomas sagt – die Anarchie der Männer-WG gegen die Bürgerlichkeit der Zweierbeziehung eintauscht und mit seiner Freundin zusammenzieht (oder auch nicht). „Das ist sehr nah dran an dem, was man selbst so erlebt. Wir sind die Generation, die zwar arbeitet, aber kein Geld verdient, die von Arbeitgebern immer hingehalten wird. Und das spiegelt sich dann auch in den Beziehungsdingen wieder. Niemand will sich festlegen. Doch es gibt auch eine Gegenbewegung – viele in meinem Alter kriegen relativ früh Kinder und heiraten. Dazwischen gibt es irgendwie nix. Die Unsicherheit macht die Leute ein bisschen kirre.“
„3 Zimmer/Küche/Bad“ ist ein melancholisches Ensemblestück mit gewitzten Dialogen, Slapstick und einer Ironie, die dieser Generation ja auch in der Selbstbetrachtung eigen zu sein scheint („Ich schreibe ein Buch – Blogschreiben ist was für 30-Jährige“, sagt Philipps 19-jährige Schwester Swantje an einer Stelle). Brüggemann sucht die Menschlichkeit hinter dem Marketingbegriff der „Generation“. Er zeigt nicht die Arbeitswelt oder das Studium seiner Protagonisten, nicht ihr Eingebundensein in gesellschaftliche Funktionszusammenhänge, sondern ihr Privatleben, in dem sich die systemischen Zwänge und die Paradoxien der Individualisierung aber längst eingeschrieben haben. Die durch den Wohlstand der Eltern genossene Freiheit (wir können alles tun) schlägt allmählich in die vom System geforderte Flexibilität (wir müssen alles tun) um.
Ähnlich wie Andreas Dresen, der – neben einigen anderen Regisseuren wie Sven Taddicken („Emmas Glück“) – einen Gastauftritt in „3 Zimmer/Küche/Bad“ hat, ist Brüggemann ein großer Humanist. „Uns ist gemeinsam, dass wir die Entscheidung zwischen spaßfreiem Kunstkino und kunstfreiem Spaßkino verweigern und auch kein dämliches Wohlfühl-Arthouse machen wollen“, erklärt er. „Wir wollen Filme drehen, die intelligent sind und zugleich unterhaltend, die man auf mehreren Ebenen verstehen kann, die eine individuelle Stimme haben, die Widersprüche zulassen und den Humor nicht aussperren. Da sind wir uns mit Andreas Dresen völlig einig. Vielleicht schreiben wir mal ein Manifest.“
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Hier gibt’s den Trailer zum Film: