Strafpark

Peter Watkins‘ Agitprop-Klassiker erscheint in der Reihe „Kino Kontrovers“ erstmals auf DVD

Regie: Peter Watkins

Agitatorisches Kino verfügt über die interessante Eigenschaft, oftmals sehr viel mehr über die Befindlichkeiten des jeweiligen Betrachters zu verraten als über die Intention des Filmemachers selbst. Als Peter Watkins‘ Dokudrama „Strafpark“ (1971) Anfang der 70er-Jahre etwa erstmals im dänischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, reagierten die Zuschauer auf die im Film geschilderten politischen Zustände in den USA mit regelrechten Hasstiraden gegen die Vereinigten Staaten. Denn die Vorstellung die amerikanische Justiz würde ohne faire Prozesse dissidente Bürger in geheimen Gefängnissen verschwinden lassen, erschien schon 30 Jahre vor Guantanamo Bay, zur Hochzeit des Vietnam-Krieges aus euopäischer Sicht alles andere als abwegig.

Es gab sogar einen Präzedenzfall, auf den Watkins sich berufen konnte: Das bereits 1950 verabschiedete McCarran-Gesetz ermöglichte die Inhaftierung und Deportation staatsfeindlicher Elemente ohne Gerichtsverhandlung. Doch dem britischen Regisseur, der 1967 für „The War Game“ einen Oscar in der Kategorie Dokumentarfilm bekam, ging es weniger um die realistische Nachstellung eines totalitären Regimes. In einem Pressetext nannte er „Strafpark“ daher auch eine Allegorie im dokumentarischen Gewand.

Die erste deutschsprachige Veröffentlichung seines Agitprop-Klassikers scheint ein guter Anlass, sich den Film und die darauf folgenden Reaktionen sowie die Intensität der Auseinandersetzungen noch einmal unter aktuellen Gesichtspunkten genauer anzuschauen.

„Strafpark“ wird durch zwei dialektische Klammern strukturiert, die Watkins im Stile eines Nachrichtenfilms inszeniert. Ein Handlungsstrang, angelehnt an den Prozess gegen die Vietnamgegner der „Chicago Seven“ um Abbie Hoffman und Black Panther-Begründer Bobby Seale im Jahr 1968, dokumentiert ein Tribunal gegen die sieben Aktivisten. Die Anhörung ist hitzig und wird immer wieder von den brutalen Maßnahmen der Verhandlungsführer unterbrochen. Ein Dialog ist nicht möglich.

Im zweiten Handlungsstrang ist die Gewalt ganz evident und weniger subtil: Eine Gruppe Strafgefangener wird von bewaffneten Einsatzkräften drei Tage lang durch die sengende Wüstenhitze eines „Punishment Park“ gejagt.

Zusammengehalten werden die beide Stränge durch die Berichterstattung eines BBC-Kamerateams, das an einer Dokumentation über die Strafparks arbeitet. Als die Gewalt schließlich eskaliert, wird die neutrale Position der Journalisten zu einer moralischen Bürde.

Rückblickend muss der Gedanke, dass „Strafpark“ jemals als ein authentischer Dokumentarfilm aufgefasst werden konnte, geradezu lächerlich erscheinen. Das Handlungskonstrukt brachte, auch wenn Watkins zu diesem Zeitpunkt die Suggestion einer dokumentarischen Ästhetik bereits meisterlich beherrschte, eigene Probleme mit sich: Die politischen Parolen klangen hohl, der Ton war laut und undifferenziert.

Man kann Watkins Film heute aus vielerlei Gründen kritisieren – und es wären sicherlich doch immer die falschen: formale, ästhetische, selbst politische. Denn Watkins Ansatz war intentionalistisch; ihm ging es zunächst um Affekte, Aktion und Widerspruch. Gerade die zeitgenössische Rezeption des Films zeigte die Gräben auf, die sich Anfang der 70er-Jahre durch die amerikanische Gesellschaft zogen. Die Welt war fein säuberlich aufgeteilt in gut/böse, subversiv/konformistisch, friedlich/aggressiv.

Watkins‘ spielte nicht nur beim Casting mit solchen Kontrasten. Er heuerte für seinen Film Laiendarsteller an, die dem jeweiligen Figurenprofil entsprachen (Hippies spielen Hippies, Cops spielen Cops), und ließ sie vor laufender Kamera ohne Skript aufeinander los. Wer hier eine tiefenscharfe Analyse der amerikanischen Verhältnisse erwartet hatte, verkannte die gesellschaftliche Realität in den frühen Siebzigern. Dem New Yorker Filmemacher und Chronisten des Kalten Krieges Emile de Antonio ist eine solche einige Male bravurös gelungen. Der Engländer Watkins aber wollte als Außenstehender ein Stimmungsbild einfangen: die Wut in den Straßen nach den Massakern von Kent State und My Lai. Das Dokudrama hatte für ihn die Funktion eines Prismas, in dem er die Aufmerksamkeit des Publikums bündeln konnte. Er wollte den Zuschauer emotional erreichen. Darum wird viel geschrien und geschossen in „Strafpark“, bis sich die Parolen und Anklagen, die Schüsse und das Donnern der Bomber, die Watkins als suggestive Montage unter die Bilder legt, zu einer aufgekratzten Disharmonie verbinden.

In seiner ungefilterten Drastik ist „Strafpark“ noch immer ein eindrucksvolles Dokument. Erschienen sind Blu-ray und DVD jetzt in der lobenswerten Kollektion „Kino Kontrovers“, die sich der Aufgabe verschrieben hat, renitente und sperrige Werke der Filmgeschichte wieder zugänglich zu machen. (Legend Home Entertainment/Bavaria Media)

Extras

Neben einem längeren Essay und dem Audiokommentar des Watkins-Kenners Joseph A. Gomez finden sich im Bonus-Teil zwei frühe Kurzfilme von Watkins sowie eine ausführliche Einleitung des Regisseurs, die unterstreicht, dass „Strafpark“ auch nach 30 Jahren noch Aktualität besitzt.

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