Aimee Mann :: Charmer
Können wir es ertragen, von Arschlöchern gemocht zu werden? Offenbar nicht. Weshalb stets die Versuchung lockt, diese im Angesicht der erwiesenen Gunst flugs zu adeln. Die Anthropologin Aimee Mann hat nach dieser Erkenntnis einige Songs um die dunklen Seiten des Persönlichkeitstypus „Charmeur“ gestrickt, der ihrem achten Studioalbum halbwegs ein Thema gibt. „And one thing leads to another, and none of it’s good“, weiß Mann im vergleichsweise krachigen Heuler „Gamma Ray“, nachdem sie zuvor noch den treuen Hund gegeben hatte, der immer wieder artig Männchen macht, solange die Lüge nur gut genug arrangiert ist: „But I came back for more and you laughed in my face and you rubbed it in, cause I’m a Labrador and I run when the gun drops the dove again …“
In der konsequentesten Versuchsanordnung entzieht der Charmeur seine Gunst, in dem er in „Disappeared“ einfach den Vorhang fallen lässt. „Somehow, I wound up on your bad side“, singt Aimee Mann halb erstaunt, halb resigniert, „’til now, I guess I had a free ride, but now I join the queue of people dead to you, the one-time chosen few.“ Ihr kluges Spiel mit Projektionen und Manipulationen findet in „Living A Lie“ auch eine hübsche Duett-Variante, in der sie und James Mercer (The Shins) das alte Boy-meets-girl-Dilemma durchspielen.
Die musikalische Schale von „Charmer“ ist gemütliche, alte New Wave-Schule, wenn auch nicht ganz so alt wie „Jackie Blue“ (Ozark Mountain Daredevils, 1975), das Mann unter anderem als Referenz bemüht. Eher lugen die Cars oder Split Enz durch diese Musik – und generell eine Zeit, als Synthies noch analog durch die Gegend s(chw)irrten und dabei ziemlich gut zu einfachen E-Gitarren-Riffs passten. Es gibt aber, etwa in „Barfly“, auch ein paar schöne George-Harrison-Gedächtnislicks.