Memphis Boys – The Story Of American Studios :: Eine nur kurze, aber sehr intensive Geschichte des Studios
Nach der Geschichte legendärer Indie-Labels wie Chess, Stax, Sun und VeeJay dokumentiert man neuerdings offenbar auch gern die berühmter Tonstudios auf CD-Retrospektiven mit herausragenden Aufnahmen, die dort produziert wurden. Was im Fall von Chips Momans von viel Prominenz geschätztem Studio in Memphis nahelag, weil Roben Jones in ihrem 2010 veröffentlichten Buch „Memphis Boys – The Story of American Studios“ auf 430 Seiten die nicht mal fünf Jahre überdauernde, aber in der Zeit phänomenal erfolgreiche Geschichte dieses Etablissements schon erzählt hatte.
Wie bei der Konkurrenz auch, war natürlich die Mannschaft von unter Vertrag stehenden Session-Cracks Voraussetzung dafür, dass kleine (wie Goldwax) und mächtige (wie Atlantic) Plattenfirmen oder auch namhafte Interpreten (Elvis Presley) das Studio nutzten. Die unter Vertrag genommenen Komponisten waren selbstverständlich streng an den eigenen Musikverlag des Unternehmens gebunden. Um irgendwann dann doch aus demselben rauszukommen und zu anderen wechseln zu können, mussten manche der so geknebelten Künstler teure spezialisierte Anwälte bemühen. Exemplarisch steht dafür Alex Chilton, der sich mit den Box Tops ohne Vorbehalte und Ausstiegsklauseln an die Firma von Chips Moman gebunden hatte.
Die wie immer höchst kenntnisreich detaillierten Liner Notes lieferte Tony Rounce zu den zwei Dutzend Aufnahmen. Unter selbigen findet man auch Dusty Springfields „Son Of A Preacher Man“, obwohl für den wie für die berühmte LP dort nur der Backing-Track aufgenommen worden war. Das war dennoch einer jener Erfolge, nach denen man für das Studio mit dem Slogan „Home of the Hits“ werben konnte. Bei den vom 13. bis 22. Januar 1969 gebuchten Sessions fielen nicht nur ein paar mehr ab (nach „In The Ghetto“ das noch erfolgreichere „Suspicious Minds“), mit dem an den paar Tagen aufgezeichneten Material füllte RCA gleich mehrere Elvis-LPs. Für die vorliegende CD wählte man als letzten Song seine Cover-Version von Hank Snows „I’m Moving On“ aus, für das Dan Penn damals ein den Sänger sofort überzeugendes Arrangement geschrieben hatte. Besonders stolz war Moman auf seine Entdeckung der 19-jährigen Sandra Lou Posey, die unter den Namen Sandy Posey mit Songs wie „Single Girl“ einige der größten Schmachtfetzen der ganzen Pop-Geschichte aufnahm. Dabei wurde ihre für diese Retrospektive ausgewählte Debüt-Single „Born A Woman“ gar nicht in den American Sound Studios an der Lincoln Street, sondern in Willie Mitchells technisch noch besser ausgerüsteten Royal Studios aufgenommen, allerdings mit zwei von Momans Memphis Boys (Gitarrist Tommy Cogbill und Mike Leech am Bass), sodass man es hier aus sentimentalen Gründen mit einschloss.
Was ein ums andere Mal verblüfft: Die hier entstandenen Mono-Singles wie „Angel Of The Morning“ in der Aufnahme von Merrilee Rush klingen so sensationell gut wie Danny O’Keefes „Good Time Charlie’s Got The Blues“ im Stereo-Mix der LP. (Ace/Soulfood) Franz Schöler