Dr. John :: Locked Down
Dan Auerbach reist mit dem Doc ins Land der guten Grooves.
Nicht, dass Dr. John im 72. Lebensjahr eines Hipness-Katalysators bedurft hätte, der sein bisher müdes Alterswerk auf Touren bringt. Im Gegenteil: Alben wie „The City That Care Forgot“ und die Night-Tripper-Reprise „Tribal“ konnten es zuletzt glatt mit dem Großwerk der späten 60er-/frühen 70er-Jahre aufnehmen. Aber wenn die Enkelin ihm mit diesen Black Keys in den Ohren liegt, horcht Opa Rebennack doch gern noch mal auf.
Dan Auerbach ist nun als Produzent von „Locked Down“ klug (und ambitioniert) genug, nicht einfach vertrautes Voodoo-Terrain zu beackern. Vielmehr animiert der Black-Keys-Mann den Doc, sich auch in einem Nashville-Studio und in einem weiter gefassten R&B/City-Blues/Soul-Kontext zu Hause zu fühlen. Dabei kann das Gespann auf eine hochmotivierte Sessiontruppe bauen. Max Weissenfeldt (Poets Of Rhythm) schüttelt hier zuhauf verwegene Synkopen und Rolls aus den Handgelenken und bleibt dabei stets ein zuverlässiger Kompass für die Black-Keys-Tourmusiker Leon Michels (Keys) und Nick Movshon (Bass), für Multi-Instrumentalist Brian Olive, auch für Auerbach selbst, der es sich nicht nehmen lässt, mit seiner Gitarre kräftig dazwischenzuzicken („You Lie“) oder im nervös pulsierenden „Getaway“ auch mal weiter auszuholen.
Die Meters-Hommage „Eleggua“ bleibt die deutlichste New-Orleans-Referenz. Doch so superfunky muss es nicht zwingend werden in diesem Land der guten Grooves, die auch mal über ihre Botschaft hinwegrollen („Ice Age“). „Good god, so good to be here“, krächzt Dr. John nach allerlei Gesellschaftskritik erleichtert im Gospel-Ausklang „God’s Sure Good“, während sich die Band in ein letztes Crescendo spielt. Nach seiner ähnlich guten Arbeit für Jessica Lea Mayfield („Tell Me“) steigert Dan Auerbach sein Profil als Produzent mit „Locked Down“ weiter. Die Zeit nach den Black Keys – für ihn könnte sie schon kommen. (Warner) Jörg Feyer
Beste Songs: „Ice Age“, „My Children, My Angels“
Super700 ***¿
Under The No Sky
Die Berliner perfektionieren ihren überbordenden Indie-Pop.
Während einer Tour durch China musste die Band tagelang unter einer Titanen-Smogglocke ausharren – so erklärt sich der Titel des dritten Super700-Albums. Gleichzeitig steht er für die zuletzt schwierigen Zeiten der Berliner, die in diversen Personalwechseln endeten. „Under The No Sky“ hat jedoch so gar nichts Erdrückendes oder Einengendes, sondern handelt vielmehr von Aufbruch und unbegrenzten Möglichkeiten, the sky’s the limit, kein Produzent interveniert mehr.
Streicher und Chöre komplettieren den Indie-Pop, für eine Welt der schnellen Kategorisierungen gibt sich die zum Quartett geschrumpfte Band musikalisch fast schon zu vielschichtig. Da darf’s sogar – wie in „When The Evening Comes“ – fröhlich-afrikanisch zugehen. Sängerin Ibadet Ramadani, die nun ohne den Backgroundgesang ihrer beiden Schwestern auskommen muss, erinnert stimmlich an Aimee Mann, kann aber genauso esoterisch kieksen wie Julee Cruise. Auch wenn schon mal ein mittelschweres Queen-Gitarrenfeuerwerk aufgefahren oder die Erdigkeit des dritten Arctic-Monkeys-Album aufgegriffen wird, überwiegt eine Leichtigkeit, die zuletzt BOY ins Radio bugsierte. Wenn die Berliner bloß einen anständigen Bandnamen hätten … (Motor) Frank Lähnemann