Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn ::
Hergé selbst soll gesagt haben, wenn jemand seinen Tintin fürs Kino verfilmen könne, dann nur dieser junge amerikanische Regisseur namens Steven Spielberg. Der Schöpfer der „Tim und Struppi“-Comicbände hatte zuvor „Jäger des verlorenen Schatzes“ gesehen, verstarb jedoch 1983, kurz nachdem er das erste Mal mit Spielberg gesprochen hatte. Die Filmrechte überließ ihm dann die Witwe. Das ist eine hübsche Anekdote zur Legendenbildung. Sie legitimiert Spielberg zudem vor den über Jahrzehnte treuen Fans der Comics, die so kleinlich sein können wie die Anhänger von „Der Herr der Ringe“. Die konnte Peter Jackson mit seiner Verfilmung immerhin besänftigen. Und so passt es, dass er als Produzent das lang erwartete „Tim und Struppi“-Projekt mitgestaltete.
Tatsächlich vermeiden Regisseur und Produzent jeden groben Frevel an der Vorlage. Der animierte Vorspann und die Anfangsszene auf einem Flohmarkt, wo Hergé in der Maskerade eines Straßenmalers Tim porträtiert, sind liebevolle Reminiszenzen an die alte Zeichen(trick)kunst. Der Film ist allerdings im Performance-Capture-Verfahren gedreht, bei dem die Bewegungen von Schauspielern in die vom Computer generierten Bilder übertragen werden. Die Story, die sich auf drei in den 40er-Jahren veröffentlichten Geschichten bezieht, spielt auch in etwa zu dieser Zeit.
Bei einem Trödelhändler kauft Tim das Modell eines Segelschiffes, für das ihm kurz darauf der ominöse Sakharin eine hohe Summe anbietet. Er lehnt ab und entdeckt im abgebrochenen Mast der „Einhorn“ eine Pergamentrolle mit einer verschlüsselten Botschaft. Tim wird auf einen Frachter entführt und trifft dort den sturzbetrunkenen Kapitän Haddock, den mit Sakharin ein uralter Familienfluch verbindet. Sie können von Bord fliehen und machen sich auf die Suche nach einem versunkenen Schatz.
Warum Hergé von Spielberg so überzeugt war, wird nun klar: In der Erzählform haben die Comic-Erlebnisse des rasenden Reporters Tim vieles gemeinsam mit den rasanten Film-Abenteuern des Archäologen Indiana Jones. In den amüsanten Actionsequenzen, die mehrere Minuten lang durch immer neue Gefahren führen, fühlt man sich an Spielbergs Kinohits erinnert. Die sind heute selbst Klassiker, und so wirken auch hier die Verfolgungsjagden etwas altmodisch. Das ist zwar angenehm, wenn man an die irritierend hohe Schnittdichte heutiger Produktionen denkt. Aber Pixar ist in dieser Hinsicht in seinen Animationsfilmen dennoch erheblich packender und phantasievoller.
Gleiches gilt für die Optik. Natürlich lässt sich der puristische Zeichenstrich von Hergé nicht original auf die Leinwand übertragen. Spielberg und Jackson erreichen mit der Performance-Capture-Technik eine glaubhafte Lebendigkeit, an der Robert Zemeckis als beharrlicher Vorreiter mit „Der Polarexpress“, „Die Legende von Beowulf“ und „A Christmas Carol“ noch gescheitert ist. Nur die Wärme von Hergés Comic-Charakteren können die makellosen, strahlenden Filmbilder nicht transportieren. Sogar da ist Pixar schon weiter.