Contagion :: Kate Winslet, Matt Damon
Regie: Steven Soderbergh
Ist es nur Schnupfen? Oder doch Ebola? Viren, darin sind sich Wissenschaftler einig, stellen die größte Bedrohung für die Menschheit dar. Ein Prozent der Weltbevölkerung starb 1918 durch die Spanische Grippe. Heute ist die Ansteckungsgefahr um ein Vielfaches höher. Mit Flugzeugen überbrücken täglich Millionen Reisende in wenigen Stunden ganze Kontinente. Lebensmittel aus allen Teilen der Erde sind jederzeit überall verfügbar. Und in den Städten ballen sich mehr Menschen denn je, die eine Infektion sofort übertragen würden. Diese Prämissen bringt Regisseur Steven Soderbergh, dessen neuer Action-Thriller „Haywire“ diesen Monat in den deutschen Kinos anläuft (s. S. 111 dieser Ausgabe), in seinem Szenario über eine Pandemie gleich in der Anfangsszene auf den Punkt. Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) wartet auf einem internationalen Airport im Restaurant auf ihren Abflug. Sie hustet, telefoniert kurz mit ihrem Handy, gibt der Kellnerin ihre Kreditkarte. Auf dem Tisch bleibt eine Schüssel mit Erdnüssen zurück, in die sie gegriffen hat. Ein unaufgeregter Auftakt, dem sofort der Schock folgt.
Unterlegt mit einem kühl pulsierenden Elektrosound, zeigt Soderbergh ein Mosaik aus rasant montierten Bildern – ein elegantes, sogartiges Stilmittel, mit dem er im weiteren Verlauf der furiosen 106 Minuten immer wieder Informationen verdichtet und Entwicklungen vorantreiben wird. In Hongkong taumelt ein junger Chinese durch die U-Bahn, in London wird die Leiche eines ukrainischen Models entdeckt, in einem Tokioer Bus bricht ein Geschäftsmann zusammen. Und Beth kommt heim nach Minneapolis zu Ehemann Mitch (Matt Damon) und ihren zwei Kindern. Es ist Tag zwei. Am Tag darauf ist auch ihr kleiner Junge erkrankt. Und am vierten Tag sind Mutter und Kind tot.
Ellis Cheever (Laurence Fishburne), Leiter des US-Seuchenamtes, schickt seine Mitarbeiterin Erin Mears (Kate Winslet) nach Minneapolis. Schulen werden geschlossen, Maßnahmen zur Quarantäne vorbereitet. Die Zahl der Erkrankten und Toten steigt, Hamsterkäufe schlagen in Plünderungen um. Das Militär spekuliert über einen Terrorakt, der Blogger Alan (Jude Law) schürt den Glauben an eine Verschwörung der Pharmaindustrie. Dr. Ally Hextall (Jennifer Ehle) versuchten, ein Impfstoff gegen das unbekannte, hoch aggressive Virus zu finden, während ihr Kollege Sussman (Elliott Gould) bereits im Sterben liegt. Und Leonara Orantes (Marion Cotillard) von der Weltgesundheitsorganisation reist nach Macao, um die Infektion von Beth und den ersten drei Opfern zu rekonstruieren – den fatalen Tag eins.
Der Meister aller Klassen Steven Soderbergh hat hier den klassischen Katastrophenfilm entschlackt, ihn vom Pathos befreit und individuellen Heroismus vermieden. „Dies ist eine großartige Geschichte und obendrein noch wahr“, sagt Cheever zu Hexall, die fast übersteigert kühl und rational ganz im Dienst der Wissenschaft steht und sich bis zum Ende nicht von der Euphorie anstecken lassen will.
Statt typischer Spannungssteigerung hat Soderbergh sein Schreckensszenario als geradezu nüchterne Chronologie inszeniert, die gerade deshalb eine enorm authentische und packende Dramatik erreicht. Der minimalistische Erzählstil, mit dem er den komplexen Stoff zwischen Konferenzen, Laborarbeit, Recherchen, Hilfsaktionen, Tod und Panik immer nachvollziehbar auffächert, ist schlicht brillant – und beängstigender als jeder effekt-heischende Thriller. Wer wie Soderbergh ein Meister der Filmtechnik ist, ist nicht auf teure Special Effects angewiesen, um Spannung und Schauwert zu produzieren.
So berühren auch die vielen Einzelschicksale mit leisen Momenten tiefer Verzweiflung und selbstloser Menschlichkeit. Als emotionaler Mittelpunkt fungiert vor allem die Episode von Mitch, der gegen das Virus immun ist und sich mit seiner rebellischen Teenagertochter von jedem Kontakt abzuschotten versucht. Und für die Jugend leistet sich selbst Soderbergh ein paar sentimentale Sekunden. Die Menschheit, so scheint das Schlussbild zu sagen, wird trotz allem überleben. Ohne Extras. (Warner)