Soap & Skin :: Narrow
Romantik und Gothic: Anja Plaschg eifert weiter Nico nach.
Man muss sich scho‘ a bisserl einlassen auf diese österreichische Variante des German Schwermut. Wer sich bereits vor den dunklen Ecken der eigenen Wohnung fürchtet, wird an einem Song wie „Deathmental“ wenig Freude haben: Die gesampelten Akkorde dröhnen wie Eichentüren, die für alle Zeit ins Schloss fallen. Zuckend schleppt sich der Beat vorwärts, wie ein verwundetes Elektro-Tier.
Auch das zweite Album des inzwischen 21-jährigen Wunderkinds Anja Plaschg alias Soap & Skin ist eine Mischung aus romantischem Kunstlied, Gothic-Feeling und dem oft an Nico, manchmal aber auch an Björk erinnernden Gesang der Wienerin. Vieles wirkt nun runder, vollendeter als auf dem Debüt „Lovetune For Vaccum“, das in Österreich die Top Five der Charts erreichte.
Als ängstlich verschlossene Kindfrau, mit vollen Lippen und dem Haar so lang und schwarz, diente sie zunächst als Projektionsfläche für die Fantasien der Kritiker: Eine wiedergeborene Nico erkannte man in ihr – ohne das Heroin und ohne das provozierend anklagende „Lied der Deutschen“, dafür aber ähnlich solitär und ebenso traurig schön. Die ehemalige Meisterschülerin des Malers Daniel Richter nahm ihre Rolle an, spielte sogar die Titelrolle in „Nico – Sphinx aus Eis“, einem Theaterstück von Werner Fritsch.
„Narrow“ ist ein aufrichtiges Album. In „Vater“ beklagt Soap & Skin den Verlust des Vaters, der im Juli 2009 überraschend verstarb. Das klingt sehr zärtlich, weich und nachdenklich, wird getragen vom klassischen Pianospiel. Erst ganz zum Schluss braust ein Orchester auf, und die Sängerin schreit ihren Schmerz heraus: „Ich wart‘ auf dich, wann kommst du wieder heim?“ Das folgende „Voyage Voyage“ ist eine Coverversion des gleichnamigen 80er-Jahre-Hits von Desireless. Wo beim Original die kühle Oberfläche funkelt, geht der Blick von Soap & Skin eher auf eine innere Reise. An Nico erinnert bei solchen Stücken nur der schwere deutsche Akzent, der allerdings ein reizvolles Stilmittel ist.
Die Schwere und das Pathos, die bei Soap & Skin immer wieder anklingen, verweisen auf europäische Songtraditionen, ihre elektronischen Einsprengsel sind eher an Avantgardisten wie Christian Fennesz geschult als am munter bleependen Synthie-Pop. Streicher wirken dabei wie tiefer gestimmte Black-Metal-Gitarren. „Cradle Song“ mag wie ein Schlaflied klingen, aber unter dem Bett lauert der Text mit all seiner Verzweiflung. Das im Wechsel mit einem Chor von Freunden und der Schwester gesungene „Wonder“ kann nur für einen Augenblick beruhigen. Ein dunkleres und romantischeres Album wird man in den nächsten Wochen schwer finden. Die Nacht ist hier mächtiger als der Tag, die Schatten stärker als das Licht. Und dennoch gibt es Hoffnung. (PIAS) JÜRGEN ZIEMER
Beste Songs: „Vater“, „Deathmental“