Chris Cornell :: Songbook
Der große Rocksänger präsentiert sich in reduzierter Form.
Auch ohne Songbook wissen wir: Chris Cornell ist ein bedeutender Sänger aus Seattle. Vedder hatte die Traurigkeit, Cobain den Zeitgeist, aber Cornell hatte die Stimme. Wie der schreien konnte! Das ist historisch. Doch nach Soundgarden kam das Durcheinander. Cornell machte ein Soloalbum, das nur zur Hälfte überzeugte und stieg in eine Indie-Rock-Supergroup ein, in der nichts zusammenpasste. Später kam dann ein Album mit Timbaland, auf dessen Cover Cornell eine Gitarre zerschlug. Da hatte er gar nichts mehr.
Womöglich gibt es für „Songbook“ – ein Live-Mitschnitt, bei dem Cornell singt und akustische Gitarren spielt – ja vertragliche Gründe. Doch lieber möchten wir glauben: Cornell kehrt zurück zu seinen Leisten (auch Soundgarden spielen ja wieder). Eines von zwei neuen Liedern macht Hoffnung. „The Keeper“ thematisiert Aufbruch und Neuanfang. Es ist außerdem eine der besten Kompositionen, die Cornell in den letzten zehn Jahren eingefallen sind.
Die anderen Songs – eine Reise durch 20 Jahre Chris Cornell – belegen dessen ungebrochene Stimmgewalt. Das Robert-Plant-Greinen ist wohl etwas abgedunkelt und weniger hysterisch als in jungen Jahren, doch Cornell ist nach wie vor einer der besten Rocksänger seiner Generation.
Manches Lied verliert durch die Reduktion; die große Rocksause braucht eigentlich eine große Band. Doch dafür hört man auf „Songbook“ die an Jimmy Page geschulte, immer leicht psychedelische Akkordarchitektur von Liedern wie „Scar On The Sky“, „Can’t Change Me“ und „Ground Zero“. Außerdem hört man „Call Me A Dog“ von Seattles Star-Projekt Temple Of The Dog – und spürt noch über die Dekaden den emotionalen Gehalt dieses fabelhaften Songs. Auch im Repertoire sind die Grunge-Blaupause „Fell On Black Days“ und das Jahrhundertlied „Black Hole Sun“: Wir reisen mit Cornell ins Seattle der frühen Neunziger – und erkennen, welch weiten Weg der Sänger und ein bisschen wir selbst schon zurückgelegt haben. (Universal) Jörn Schlüter
Beste Songs: „Call Me A Dog“, „The Keeper“