Ocean Colour Scene :: Moseley Shoals (Deluxe Edition)
Das beste Album der Paul-Weller-Freunde von 1996 – mit Beigaben
Small Faces, Kinks, Traffic, Beatles, Led Zeppelin, Rolling Stones – von allen Britpop-Bands der 90er-Jahre waren Ocean Colour Scene erklärtermaßen diejenige, die sich nicht auf eine der besagten Vorläufer-Bands als maßgeblichen „musikalischen Einfluss“ berufen mochte, sondern sich ungeniert von allen inspirieren ließ. Wobei man auch schon mal ganz offenkundig mit Zitaten arbeitete („I Am The Walrus“ bei „The Day We Caught The Train“), anderswo den Geist der Altvorderen beschwor (von Syd Barrett bei „Fleeting Mind“) oder auch mal eine ganze Epoche wieder aufleben ließ (den Geist des Prog-Rock bei „The Riverboat Song“, dem ersten aus dem Album ausgekoppelten Hit). „The Circle“ war nebenbei auch eine kleine Hommage an Stones und Kinks, „You Got It Bad“ eine an die Adresse von Keith Richards und zudem Rückgriff auf Psychedelica der Jahre 1967 bis 1969.
Nur die Anspielung im Albumtitel auf die berühmten Fame-Studios in Muscle Shoals, wo die Rolling Stones vor dem AItamont-Konzert einige ihrer ewigen Ohrwürmer aufgenommen hatten, war pure Koketterie. Für ein paar Momente klangen am Ende eines Songs hier auch mal die unverwechselbaren „Papa Was A Rolling Stone“-Gitarren an. Aber Südstaaten-Soul, für den das Studio von Rick Hall berühmt war, stand eher nicht auf dem Retro-Programm von Ocean Colour Scene. Amüsant an diesem von Paul Weller und Noel Gallagher protegierten Comeback-Projekt der fast schon abgeschriebenen Band: Diese Mischung aus Pop und typischer Singer/Songwriter-Ballade, Rhythm & Blues und Prog-Rock, Psychedelica und Rock-Anleihen bei allen möglichen Idolen wurde tatsächlich als so unerhört zeitgeistig empfunden.
Einzige Kostprobe der seinerzeit gerühmten konzertanten Qualitäten der Band ist unter den 23 Zugaben der zweiten CD eine herrlich rockige Cover-Version „Day Tripper“, live offenbar als Finale eines Auftritts im Electric Ballroom mitgeschnitten. Bei den übrigen Aufnahmen handelt es sich um die als Single-B-Seiten veröffentlichten Aufnahmen – ideales Material für ein Quiz und jeweils die Frage, wer denn jetzt welchen der 22 Songs „inspirierte“! (Universal) Franz Schöler
Traffic ****¿
John Barleycorn Must Die
Klassiker von Steve Winwoods Band aus dem Jahr 1970
So sang- und klanglos mochte Chris Blackwell sein Lieblingsprojekt nicht beendet wissen, als sich Traffic nach den üblichen „musikalischen Differenzen“ zwischen Pop-Meister Dave Mason und dem bekennenden Jazz-Fan Stevie Winwood nach nur zwei LPs auflösten. Die Lizenznehmer bei United Artists Records in Amerika setzten seit den famosen Hits des Sängers mit der Spencer Davis Group große Hoffnungen in denselben. Blackwell hatte ihnen vertraglich fünf LPs fest zugesagt. Die dritte war so etwas wie Resteverwertung: Mit fünf Studio-Outtakes und zwei FilImore-Mitschnitten trimmte man „Last Exit“ mühsam auf LP-Länge.
Diese Elegie über welkende Bäume, die keine Früchte mehr tragen wollen (und „Bäume in den Armen der Ewigkeit“!), war unvermutet Winwoods spätes Bekenntnis zur Folk Music. Zwei seiner Songs für Blind Faith, „Can’t Find My Way Home“ und „Had To Cry Today“, knüpften zunächst relativ nahtlos daran an. Als sich diese Band verabschiedete, sah Blackwell seine Chance gekommen, dem Mann mit der Wunderkind-Aura endlich die Solo-Star-Karriere zu finanzieren, die ihm immer schon irgendwie vorgeschwebt hatte. Aber weil auch diesmal aller Anfang schwer war, versicherte sich Winwood der Mithilfe der Kollegen Wood und Capaldi, um das „Solo“-Debüt auf die Reihe zu bekommen. Letzterer wurde sofort Co-Autor der meisten neuen Songs.
In die folgenden Songs mit ihren thematischen Anklängen an Illusionen, Entfremdung und Erinnerung musste man autobiografischen Subtext nicht gewaltsam hineindeuten, das war überdies melodisch so inspiriert wie vieles auf dem Erstlingswerk – nur von Psychedelica hatte man sich komplett verabschiedet. Die Stimmung von „Stranger To Himself“ setzte das folgende Folk-Traditional als Finale bruchlos fort so, dass man das glatt als Winwoods jüngste Eigenkreation sehen konnte, wenn man es nicht spätestens nach Lektüre des Kleingedruckten besser gewusst hätte.