Alison Krauss & Union Station :: Paper Airplane
Nicht allzu zuckriger Bluegrass von der versierten Sängerin.
Es war 1990, als Bluegrass-Raubauz Peter Rowan von den „Dust Bowl Children“ sang, den Verlierern der Großen Depression, die er mit den Arbeitslosen im Kalifornien der Gegenwart verglich. Und denen er zweckoptimistisch zurief: „Let the green fields grow strong, there’s a bluegrass revival comin‘ on!“ So war das zwar sicher nicht gemeint, aber das Revival kam wirklich. Mit dem Film „O Brother, Where Art Thou?“, George Clooney als Schlawinersänger und einem – wie viele Chefredakteure bemerkten – neuen Interesse der Hipster an der Mountain Music.
Auch Alison Krauss trieb das noch ein paar Hörer zu. Die Teufelsfiedlerin und Bluegrass-Superfee aus Illinois hatte allerdings zehn ihrer legendären 26 Grammys schon vorher bekommen, und überhaupt wusste sie selbst immer am besten, wie man ins Radio kommt, wenn man muss. Zur VH1-Diva wurde sie deshalb nicht, auch das Million-Dollar-Duett mit Robert Plant blieb vorerst eine Episode. Auf dem neuen Album „Paper Airplane“ spielt sie mit ihrer treuen Band Union Station sogar stilecht Rowans „Dust Bowl Children“, gesungen von Gitarrist Dan Tyminski, der damals Clooneys Synchronstimme war. Die Strophe mit dem Bluegrass-Revival lässt er übrigens weg.
Man kann wenig sagen gegen diese Platte, die im Vergleich zum Vorgänger „Lonely Runs Both Ways“ sogar noch weniger zuckrig ausfällt. Das munter gepickte Sterbelied „Lay My Burden Down“ haucht Krauss wie eine tödlich verwundete Nachtigall, „Lie Awake“, komponiert von ihrem Bruder Viktor, klingt nach Misstrauen und schmeckt im Refrain nach Karamell und Bitternougat, Richard Thompsons Kerzenklassiker „Dimming Of The Day“ gelingt ihnen sternenklar und ohne Keltenkitsch. Am allerstärksten ist die Band jedoch immer noch bei den Hoedowns, den metallisch pluckernden, altertümlichen Heulern, die allesamt Tyminski singt. Und von denen man sich ein paar mehr wünschen würde. Wie früher, als Sturmbackfisch Alison Krauss nicht nur die Balladen übernahm. Aber man sollte bei old-timey music ja nicht zu nostalgisch werden. (Rounder/Universal) Joachim Hentschel