Lou Reed & Metallica :: Lulu
Die Vertonung des Wedekind- Dramas ist eher Kampf als Kunst.
Also, noch einmal zum Mitschreiben: in der einen Ecke Metallica, deren Name schon sagt, welche Musik sie bis in alle Ewigkeit machen werden, deren letztes Album in über 30 Ländern Nummer eins war und so weiter. In der anderen Lou Reed, muffiger Existenzialist, mehr Legende als Star, dessen letzter US-Charthit im Jahr 2000 ein Platz 183 war. Der zuletzt ein Album mit Meditationen über den Hud-son River und ein Live-Tribute an sein erfolglosestes Werk „Metal Machine Music“ herausgebracht hat.
Wenn die zwei eine Platte zusammen machen – was nützt sie den Parteien am Ende? Reed jedenfalls hat endlich mal ein Top-Ten-Album, ohne auch nur das kleinste Zugeständnis an allzu gut gelaunte Leute machen zu müssen. Und Metallica können sich – ohne Vertrag, mit vollen Taschen vom „Big 4“-Festival – eine imagebildende Maßnahme erlauben, ohne Aufwand ein Wedekind-Drama vertonen, einfach die mit Reed aus dem Krötenleder-Ärmel geschüttelten Demos veröffentlichen, anstatt zehn Jahre im Studio daran rumzumeiern.
Über die Musik ist ja alles gesagt, manchmal klingt sie, als würde George W. Bush zusammen mit den besoffenen Guns N’Roses aufspielen, manchmal wie ein Box- oder Schlammcatch-Kampf, bei dem man nicht sehen kann, wer vorne liegt. Spannend, bis zum Zungenbiss verkrampft, schön, grässlich, Männerscherze, Selbsterniedrigungsfantasien. Muttersprachler sagen, die Texte seien doch eher lustig als peinlich, und wie zum Beispiel im irre langen „Cheat On Me“ aus dem Reed’schen Ambient-Flabbern nach und nach ein beneidenswert stumpfsinniger Metallica-Song kriecht – das ist, ganz ehrlich, origineller und ereignisreicher als die ganze neue Platte von diesen Dingsbums aus Los Angeles.
„Lulu“ ist nicht Kunst, sondern Kampf. Bei dem das Blut zwar trocken ist, der Sieger oder Verlierer aber noch nicht feststeht. Ergibt nur Sinn, wenn man es immer wieder hört. Aber es gibt ja so viele andere schöne Hobbys. (Universal) Joachim Hentschel
Beste Songs: „Cheat On Me“, „Junior Dad“