Marc Eliot :: Paul Simon: Die Biografie
Geringe Körpergröße als probates Antriebsaggregat für ein so ehrgeiziges wie erfolgreiches Künstlerleben
Napoleon-Komplex
Das erste Album war im Kasten, und man war bei Columbia recht zufrieden damit. „Wednesday Morning, 3 A.M.“ sollte es heißen, doch unter welchem Namen die beiden Künstler firmieren würden, bedurfte dringender Klärung. Eine Sitzung wurde einberufen. Tom & Jerry bot sich an, denn diesen Moniker hatten die Jungs aus Queens jahrelang benutzt und sogar einen Top-50-Hit darunter verbucht, dank Payola ($ 200) und Plagiat-Sound (Everly Brothers). Jedenfalls erreichte „Hey, Schoolgirl“ anno 1957 sechsstellige Umsatzzahlen und bedeutete für die beiden Sänger mit DooWop-Hintergrund weitere Sessions, weitere Platten. Paul Simon hatte sich Jerry Landis genannt, Art Garfunkel war Tom Graph, doch sieben Jahre später waren sie dem Highschool-Pop entwachsen und machten ernsten, engagierten Folk. Paul & Artie? Zu banal. Warum nicht Simon & Garfunkel? Das klänge wie eine jüdische Anwaltskanzlei, wurde eingewandt.
Es sind eher solche kleinen Begebenheiten und nur scheinbar nebensächlichen Konstellationen, die Marc Eliots Biografie interessant machen, als die psychologischen und politischen Deutungen, die sich durch das Buch ziehen. Simons Napoleon-Komplex muss für vieles herhalten, die Suche nach Homo-Erotik erweist sich als Fehlschlag. Immerhin bleiben die komplexen Spannungen zwischen den Freunden nie außen vor, der ewige Zwist wird so erklärlicher. Auch werden alle wichtigen Songs durchforscht und beinahe exegetisch auf versteckte Fingerzeige hin untersucht. Durchaus lohnend, sofern Simons Großtaten der 60er und frühen 70er seziert werden, wohingegen alle wohlmeinende Analyse nicht hilft, wenn das Objekt bloß Vehikel für läppisches Ethno-Geplänkel ist. Freilich hält Eliot „Graceland“ für ein Meisterwerk, und natürlich findet er nur selten ein Haar in Simons immer wässrigerer Songsuppe. Erst die mannigfachen Spätverwertungsmanöver und redundanten Reunions veranlassen den Autor zu kritischen Kommentaren. „Wie eine MP3-Datei im Repeatmodus“, so Marc Eliot, würden „Simon & Garfunkel immer wieder zum letzten Mal Lebewohl sagen“. Paul Simons aktuelle Platte „So Beautiful Or So What“ wird nicht mehr thematisiert und erscheint nur im diskografischen Anhang, da das englische Original der Biografie titels „A Life“ bereits im vergangenen Jahr erschien. Macht nichts. (Edel: Vita, 25 Euro)
von Michael Heatley & Deke Leonard
„This boy had everything“, wusste Carl Perkins, „he had the looks, the moves, the manager, and the talent.“ Hier wird sie wieder ausgeleuchtet, die Magie des Jahrhundertmanns, in Wort und Bild, jedesmal aufs Neue faszinierend. Diese unfassbare Coolness der frühen Jahre, diese unmöglich zu überschätzende Bedeutung für alles, was nach ihm kam. „Elvis was bigger than religion in my life“, wird John Lennon zitiert; auf das Armee-Kapitel hätte man wie er gern verzichtet. Auf die ins Cover eingelassene CD auch. (Olms, 20 Euro)
von Robert Scott
„Die Storys zu allen Songs“, so der Untertitel, bietet erfreulich differenzierte Betrachtungen eines Fans. Scott gerät über manchen Gassenhauer vor Begeisterung zwar ganz aus dem Häuschen, geißelt aber auch allzu Triviales. „Ach du meine Güte“, schreibt er dann, „es wird noch alberner.“ Oft ist sein Urteil ambivalent, ein zweischneidiges Schwert. Ohne „Dancing Queen“, so mutmaßt er etwa, hätte es nie Karaoke gegeben: Segen oder Fluch? (Edel: Rockbuch, 13 Euro)
von Tony McCarroll
Es ist eine Mischung aus Mitleid und Sympathie, die der schwer am Pete-Best-Syndrom laborierende Tony McCarroll für seine Autobiografie erntet. Einerseits wurde dem Ex-Schlagzeuger übel mitgespielt, andererseits boxte er sich durch, überlebte wüste Ego-Fights und den Rauswurf aus dem Paradies zumindest menschlich integer. „Oasis: The Trotz“ (so der Originaltitel) ist ein Blick zurück hinter die Kulissen, ohne Zorn, nicht ohne Komik. Noel als ManCity-Hool, Liam selbstkritisch: lachhaft. (Iron Pages, 20 Euro)