Gillian Welch :: The Harrow & The Harvest
Die Songschreiberin reduziert ihre große Kunst auf den Akustik-Kern.
Acht Jahre. Altstars leisten sich solche Veröffentlichungspausen, um noch mal die Erwartungshaltung der Gemeinde zu kitzeln. Gillian Welch, bald 44, hat seit 1996 gerade mal vier Alben gemacht (die freilich ein Genre mitdefinierten). Und kann es sich doch schon leisten, allein ihrer Muse zu folgen. Mit eigenem Label (Acony), im eigenen Studio (Woodland in Nashville). Der „O Brother“-Erfolg und die Tantiemen ihrer Cover-Gemeinde, die von Alison Krauss bis Solomon Burke reicht, haben es möglich gemacht.
Und die Erwartungshaltung? War auch hier riesig. Und wird nicht nur nicht enttäuscht. Eher wundert man sich halb verschämt, wie man je an dieser Frau auch nur ein bisschen zweifeln konnte, spätestens wenn sich das Panorama des dritten Songs „The Way It Will Be“ so unnachahmlich subtil und kraftvoll entfaltet. „I lost you a while ago, still I don’t know why/ I can’t say your name without a crow flying by“, singt Welch. Allein? Hier wie öfter auf dem Album ist die Harmonie von David Rawlings eher zu erahnen als wirklich zu hören. Der auch produzierende Mann an ihrer Seite hat es im fünften Anlauf immerhin mal aufs Cover von „The Harrow & The Harvest“ geschafft. Als eine Art magischer (Ein-)Flüsterer wird er da von Zeichner John Dyer Baizley gesehen – eine Optik, die seine musikalische Rolle gut beschreibt. Rawlings umspielt/umsingt Welch so intuitiv und präzise wie es zuvor selten jemand geschafft hat, wenn überhaupt.
So hat das kongenialste aktive Paar der Americana-Szene – nach der stilistischen Expansion von „Soul Journey“ – seine Kunst mit „The Harrow & The Harvest“ wieder auf den absoluten Akustik-Kern eingeschmolzen. Wozu Welch-Songs passen, die wie „Scarlet Town“, „Tennessee“, „Down Along The Dixie Line“ und der eher untypische Aufgalopp der „Six White Horses“ mal wieder klingen, als hätten sie schon eine kleine Ewigkeit in den Appalachen oder am Mississippi gewartet, um von ihr ein zeitgenössisches Antlitz zu bekommen. Da kommt es auf acht Jahre nicht an. So lange ruhte die Egge, nun ist die Ernte umso üppiger.(Warner) Jörg Feyer
Beste Songs: „The Way It Will Be“, „Tennessee“