Poly Styrene :: Generation Indigo
Nach 30 Jahren ein verblüffend gutes Album der Punksängerin
Poly Styrene war die Sängerin der britischen Band X-Ray-Spex, die Ende der 70er-Jahre die Punk-Bewegung mit den Hymnen „Oh Bondage Up Yours“ und „Identity“ bereicherte. Aus vollem Hals schrie sie damals zur energisch federnden Musik: „Bind me, tie me, chain me to the wall/ I wanna be a slave to you all!“ und „Identity is the crisis, can’t you see / Identity identity“. Jüngere Hörer könnten X-Ray-Spex deshalb leicht mit Le Tigre oder The Gossip verwechseln. 1980 löste sich die Gruppe auf; Poly Styrene, die eigentlich Marian Joan Elliott-Said heißt, produzierte im selben Jahr noch ein eher poppiges Soloalbum und tauchte dann 25 Jahre lang ab in das Reich von Hare Krishna. Nach ein paar Auftritten in den letzten drei Jahren, auch mit X-Ray-Spex, erscheint nun das erste Album seit 30 Jahren.
Keine Ahnung, wer oder was die „Generation Indigo“ ist, vermutlich etwas Esoterisches. Das gleichnamige Album geht jedoch vom ersten Song an gut ins Ohr: „I Luv Ur Sneakers“ klingt kein bisschen nach „Alte Punkheldin will ein paar Tonträger absetzen“, sondern eher fingerschnippend und kopfnickend klasse. Der Produzent Youth hat dem Album überhaupt einen satten Sound verpasst, der schon irgendwie nach den Achtzigern klingt – aber eben so, wie es auch 20-jährige Pop-Fans mögen. Der Titelsong ist dabei die obligatorische Reggae-Nummer, die es damals auf jedem ernst zu nehmenden Punk-/New-Wave-Album gab, nur ein wenig modifiziert in Richtung Dubstep. Das funktioniert grandios. Die immer noch fast mädchenhafte Stimme der Sängerin reitet auf dem Mons- ter-Bass und reibt sich dabei an den rauen Shouts eines Dancehall- Rappers.
Andere Songs, wie „Kitsch“ oder „Virtual Boyfriend“, sind perfekter Pop, zwischen den Girl-Groups der Sechziger und den Gender-Bender-Bands von heute. Neuland betritt Poly Styrene dabei natürlich nicht, trotzdem ist „Generation Indigo“ ein verblüffend gutes und überraschend frisches Album. Die Single „Thrash City“ ist leider einer der schwächsten Songs.
Am Ostermontag starb Poly Styrene an Brustkrebs. Man sollte ihr Album nicht aus Trauer und Sentimentalität kaufen, sondern weil es eine tolle Platte ist. (Future Noise) Jürgen Ziemer