Winter’s Bone :: Jennifer Lawrence, John Hawkes
Regie: Debra Granik Start: 31.3.
Selten gab es einen Film, der sich derart unscheinbar ankündigt, mit einer unterschwelligen Wucht fesselt und sich aus einer düsteren Dramatik heraus zum Thriller entwickelt. Mit ihrer erst zweiten Regiearbeit zeigt die Amerikanerin Debra Granik eine archaische Gegenwart in den Wäldern der Ozark-Berge von Missouri. Die Bewohner der kleinen Gemeinde, über deren kargen Baumwipfeln graue Wolken wie Blei hängen, leben in Blockhütten und Trailern. Der Tag der 17-jährigen Ree (Jennifer Lawrence) beginnt beiläufig als Sozialdrama. Sie macht das Frühstück für ihre zwei kleinen Geschwister, kümmert sich um ihre psychisch kranke Mutter, hängt Wäsche auf und gibt ihr Pferd weg, weil sie das Futter nicht mehr bezahlen kann. Als sie vom Sheriff erfährt, dass ihr wegen Drogenhandels angeklagter Vater abgetaucht ist, droht das als Kaution hinterlegte Familienhaus gepfändet zu werden. Ree macht sich auf die Suche nach ihm, stößt aber überall auf Schweigen. Ihr Crystal Meth schnupfender Onkel Teardrop (John Hawkes) weist sie aggressiv ab. Die Haushälterin des lokalen Paten Milton fragt nur barsch: „Hast du keinen Mann, der das regeln kann?“ Doch Ree, von Lawrence brillant mit einfühlsamer Verzweiflung und trotzigem Blick verkörpert, gibt nicht auf. Die fast dokumentarische, von latenter Bedrohung und plötzlicher Gewalt geprägte Trostlosigkeit schließt mit einem Moment, der einen wahrlich erschauern lässt.
Das Hausmädchen ***¿
Jeon Do-yeon, Lee Jung-jae
Regie: Im Sang-soo Start: 21.4.
Kim Ki-youngs melodramatischer Horror-Thriller von 1960 gilt als einer der einflussreichsten Filme des südkoreanischen Kinos. Sang-soos Neuinterpretation bricht allerdings inhaltlich und stilistisch mit dem Original. Das Hausmädchen war bei Ki-young noch eine mysteriöse Femme fatale, die ihre Liebe zu einem Klavierlehrer vorantreibt, was in der damaligen Zeit für einen Skandal sorgte. Sang-soo kehrt in der postfeministischen Gegenwart die Verhältnisse um: Die nette Eun-yi (Jeon Do-youn) hat zuvor in einer Garküche gejobbt und ist dankbar, für ein reiches Ehepaar und dessen kleine Tochter arbeiten zu dürfen. Das Klavier, an dem der Geschäftsmann Hoon (Lee Jung-jae) spielt, ist in der protzig-kühlen Villa nur ein Symbol für den elitären Status – wie der Rotwein und die Selbstverständlichkeit, mit der er Eun-yi verführt. Als sie schwanger wird, greifen Ehefrau und Schwiegermutter zu drastischen Mitteln. Eine bittere, zwiespältige Rolle in dieser Intrige spielt die einsame alte Haushälterin Byung-sik (Youn Yuh-jung), die zwischen Neid und Verachtung für die reiche Familie schwankt. Die eisige, erotische Eleganz des Thrillers wirkt kalkuliert, mündet mit einem Schockmoment aber in ein surreales Schlussbild, das dem Original gerecht wird.
Riz Ahmed, Arsher Ali
Regie: Chris Morris Start: 21.4.
Warum werden im Westen lebende, gut integrierte Moslems plötzlich zu Terroristen? Darauf hat niemand eine klare Antwort, und auch der englische Regisseur Morris liefert sie nicht. Im Gegenteil: Seine teils erfrischend respektlose, zuweilen aber auch extrem alberne Satire umkreist ein konfuses Gefühl von erschreckender Banalität. Omar (Riz Ahmed) ist nicht religiöser als der durchschnittliche Brite, führt als Wachmann mit Frau und Sohn in Sheffield eine unauffällige bürgerliche Existenz. Dennoch oder gerade deshalb glaubt er gegen die ständige öffentliche Verunglimpfung von Muslimen ein Zeichen setzen zu müssen. Aus einer völlig fehlgeleiteten Überlegung heraus gründet er eine Terrorzelle. Doch sein Ausflug mit Waj (Kayvan Novak) in ein Trainingscamp von Al-Quaida endet peinlich: Die übereifrigen Amateure beschießen das eigene Lager – und töten dabei Bin Laden. Faisal (Adeel Akhtar) explodiert beim Transport des selbst angerührten flüssigen Sprengstoffs. Und der Plan des Konvertiten Barry (Nigel Lindsay), mit dem Anschlag auf eine Moschee auch die moderaten Moslems im Dschihad zu vereinen, ist selbst Omar zu radikal. Die Naivität der Trottel mutet auf Dauer etwas nervtötend an. Andere Pointen sind wiederum ganz auf Höhe der absurden Komik der Monty Pythons. Dass ausgerechnet Omars strenggläubiger Bruder, der mit einer Frau nicht in einem Raum sein mag, gegen ein Attentat ist und dann von der Polizei verhaftet wird, ist zudem eine herrliche Ohrfeige für die klischeehafte Paranoia des Westens.
Brighton Rock **¿
Sam Riley, Helen Mirren
Regie: Rowan Joffe Start: 21.4.
John Boultins Verfilmung von Graham Greenes Roman „Brighton Rock“ ist ein Klassiker des britischen Kinos, der Richard Attenborough 1947 in seiner Rolle als junger Gangster Pinkie zum Durchbruch verhalf. Für sein Regiedebüt hat der Sohn von Roland Joffe („Mission“) den Stoff nun clever in die Zeit der Krawalle zwischen Mods und Rockern Mitte der Sechziger verschoben. „Die Jugend reißt die Küste nieder“, sagt der alte Barbesitzer Phil Corkery (John Hurt) zu Ida (Helen Mirren), die ein Café betreibt. Dieser Satz gilt sinnbildlich auch für Pinkie (Sam Riley): Sein Boss wird abgestochen, nach anfänglichen Hemmungen tötet er den Täter. Damit fordert er den Mafioso Colleoni heraus, der im Seebad das Geschäft mit Schutzgeldern übernehmen will. Joffe hat einige starke Dialoge und Bilder geschaffen, sie aber zu keiner Einheit formen können. Er reißt viele Themen an, ohne sie zu vertiefen. Die Figuren wirken ebenso theatralisch wie die Psychologie aufgesetzt. Obwohl alles richtig scheint, bleibt das Gefühl, dass nichts passt.
Richard Roxburg
Regie: Alister Grierson Start: 21.4.
Der deutsche Verleih legt mit dem Titel „James Cameron’s Sanctum in 3D“ gleich eine volle Produktbeschreibung bei. Ohne diesen Hinweis ist der Unterwasser-Thriller, den Cameron als Produzent mit seiner „Avatar“-Software ausgestattet hat, in Amerika abgesoffen. Milliardär Carl (Ioan Gruffudd) finanziert dem Tauchprofi Frank (Richard Roxburgh) eine Expedition durch die Esa’ala-Höhlen auf Papua Neuguinea, um einen unterirdischen Weg in den Südpazifik zu finden. Als ein Unwetter anbricht, versperren Regenmassen und Felsbrocken den Ausgang. So muss das Team noch tiefer tauchen und klettern. In der Enge des Labyrinths erweist sich die 3-D-Technik als unnötig, da sie die Beklemmung eher aufhebt statt sie zu verstärken. Vorhersehbar sind zudem die Konflikte: Der großspurige Carl entpuppt sich als Egoist, seine Freundin muss als hysterisches Opfer herhalten, und Josh (Rhys Wakefield) rebelliert gegen den mitleidlosen Realitätssinn seines Vaters Frank. Reduziert auf den klassischen Überlebenskampf, lässt einen der klaustrophobische Horror allerdings oft genug nach Luft ringen.