DeVotchKa :: 100 Lovers
Östliche Melancholie trifft auf pompöse Streicher-Romantik.
Die hinreißende Filmmusik für „Little Miss Sunshine“ brachte DeVotchka 2006 nicht nur rasant wachsende Popularität, sondern auch eine Grammy-Nominierung. Wegen ihres sehr europäischen Sounds wurde die Band aus Denver damals dem grassierenden Hype um rumpelnde Bauern-Kapellen zugeordnet. Doch von einem Balkan-Pop à la Gogol Bordello war schon auf dem letzten Album „A Mad And Faithful Telling“ nicht mehr viel zu hören. Dafür findet sich in den Melodien von DeVotchKa eine östliche Melancholie, die von Nick Uratas wehmütig sehnender Stimme getragen wird. Der Sänger, Songwriter und Multiinstrumentalist ist ein schwelgerischer Romantiker, und man verzeiht ihm gerne, dass er manchmal so übertrieben klingt wie eine Mischung aus Caetano Veloso und den Traveling Wilburys.
Offiziell laufen DeVotchka auch auf „100 Lovers“ noch als Quartett. Die Streicher, die im Booklet als „The Guests“ aufgeführt werden, sind allerdings allgegenwärtig. Bei Stücken wie „The Alley“ kommt noch ein Strom wirbelnder Percussion hinzu – Empathie liegt in der Luft. „All The Sand In The Sea“ erinnert an die pompös genialen Soundtracks von Danny Elfman. Da wird dramatisch in den Tasten des Pianos gerührt, ein vielstimmiges Summen und Singen erfüllt den Raum, und die Violinen brausen und drängen, dass sich die Vorhänge blähen.
Die Texte sind leider nicht halb so gut wie die Musik, aber darüber muss man sich nicht ärgern. Mit „100 Lovers“ präsentieren DeVotchka Songs für die großen Gefühle – und die wollen wir doch nicht zerreden, oder? (Anti/Indigo) Jürgen Ziemer
Asaf Avidan & The Mojos **¿
Poor Boy / Lucky Man
Vielschichtiger Retro-Folk-Blues-Rock, etwas zu brav produziert
Als Asaf Avidan & The Mojos vor eineinhalb Jahren hierzulande ihr Debüt veröffentlichten, waren sie zu Hause in Israel schon zu Ruhm gekommen. Avidan, vorher ein aufstrebender Filmemacher, war wegen seiner hohen, an Janis Joplin erinnernden Stimme ein Kuriosum, sein rückhaltlos leidenschaftlicher Retro-Folk-Blues-Rock – zumal in Englisch gesungen – in Israel ohnegleichen. Im internationalen Vergleich fielen die Schwächen des Albums auf: Einige Lieder waren mehr Glauben als Wollen, der Sound trotz des Folk-Revivals etwas unzeitgemäß.
Auf „Poor Boy / Lucky Man“, das in Israel bereits 2009 erschien, stimmt nun nicht nur die Emotion, sondern auch das Songwriting. Die Mojos sind noch immer eine verschworene Gemeinschaft, Avidan ist der Zeremonienmeister. Es gibt viele gute Ideen auf dem Album, das genauer konturiert und vielschichtiger ist. Der Joplin-Blues des Titelsongs, die an Led Zeppelin angelehnte Zwölfsaitige bei „Got It Right“, der bewegende Songwriter-Folk von „My Favorite Clown“ – das Herz bebt in diesen Liedern.
Doch auf der anderen Seite stehen vier, fünf laut rockende Lieder, die nirgendwo ankommen. Den alten Hardrock nimmt man derzeit anders auf, mit künstlicher Patina und analogem Schmutz, dann klingt er wieder gegenwärtig – US-amerikanische Bands wie Earl Greyhound machen es vor. Etwas mutiger beim Produzieren! (Telmavar/Sony) Jörn Schlüter