Peter Bjorn And John :: Gimme Some

Das schwedische Trio bollert etwas zu einfältig und farblos.

Voll aufs Dach! „Before you break my heart I’m gonna break your nose …“, drohen die drei Schweden auf ihrem sechsten Album, dem dritten nach ihrem Überhit „Young Folks“, mit dem sie sich in jeden fünften Werbeclip gepfiffen hatten. Genauso agieren sie auch: Bloß keine Sentimentalitäten zulassen, lieber einfach losbollern!

Zum ersten Mal überhaupt erlaubten die Herren Morén, Yttling und Eriksson einem Produzenten Zutritt ins Studio, und mit Per Sunding gelang ihnen eine 180-Grad-Kehrtwendung zu ihrem zuletzt experimentelleren Electronic-Sound. Die Gitarren krachen dabei schon mal wie bei den Hives oder den Godfathers. Früher nannte man so etwas „Powerpop“, aber auch die Fuzztones und das Garagentor sind nicht Lichtjahre entfernt. Was allerdings zunächst als Reduktion zu funktionieren scheint, wirkt ausgedehnt auf 37 Minuten etwas einfältig und farblos – dem öden Albumtitel entsprechend. Gab’s alles schon einmal, und das mit richtigen Refrains und in wesentlich charmanter.

Auf dem Cover zeigen gleich drei Daumen an einer Hand nach oben. Das ruft Widerspruch hervor: Ein einziger, leicht schräg geneigter Daumen wäre treffender. (Cooking Vinyl/Indigo) Frank Lähnemann

Paul Simon ***¿

So Beautiful Or So What

Das organischste und schönste Simon-Werk seit Langem

Als Frank Sinatra den Jesus aus „Mrs Robinson“ entfernte (und durch Jilly ersetzte, den Vornamen seines liebsten Lounge-Wirts), lag das nicht daran, dass er Paul Simons Text zu bigott gefunden hätte. Sondern an der Rücksicht auf die Radiosender. Trotzdem: Das Werk des angeblich nicht-praktizierenden Juden Simon enthält erdrückend viele Verweise, aus denen man zumindest eine große Faszination für Spiritualitäten ableiten könnte – von den Gospelversionen der Garfunkel-Zeit über die Tourneen mit den Jessy Dixon Singers bis zu zahlreichen Songs der späten Platten, in denen Simon unter anderem unsarkastisch feststellte, dass Gott der Letzte sei, der einen noch liebt, wenn man alt und hässlich ist.

Was wichtig ist, weil Simon dem Schöpfer auf seinem neuen Album noch etwas näher auf den Pelz rückt. Die herrliche, als Gratis-MP3 längst bekannte Eröffnung „Getting Ready For Christmas Day“ basiert auf Samples aus der Predigt eines Baptistenpfarrers, verschränkt die Brandrede vom Jüngsten Gericht mit der Notklage des geknechteten Arbeitnehmers. Der darf dann im anschließenden „The Afterlife“ endlich in den Himmel, muss dort aber gleich wieder Formulare ausfüllen und sich in die Schlange stellen, direkt hinter Buddha und Moses. Die Gitarren von Simon und seinem Kompagnon Vincent Nguini schubbern, pluckern und swingen exquisit, bis der geduldige kleine Mann am Ende die unverdiente Weisheit empfängt, im Schoße des Herrn ruht und nur in der Babysprache des Rock’n’Roll antworten kann: „Be-Bop-A-Lula!“

Eine Paul-Simon-Platte mit derart phänomenalem Einstieg gab es zuletzt vor 25 Jahren. Und obwohl die übliche „Bestes Album seit, Graceland'“-Diskussion ja schon seit Beginn des großen PR-Tam-Tams Ende 2010 beantwortet zu sein scheint, kann man präzisieren: „You’re The One“ von 2000 enthielt zwar die größeren individuellen Highlights, „Surprise“ von 2006 war abwechslungs- und ereignisreicher (wen’s interessiert!) – aber „So Beautiful Or So What“ ist als Zyklus, als Quasi-Band-Werk, als Idealchemie aus drahtigem Rhythm’n’Blues und gurrender, tapsender Afrika-Tanzmusik das Lebendigste, Organischste und Schönste, was man von Paul Simon seit sehr Langem gehört hat.

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