Ella Mae Morse :: Rocks
Eine Compilation mit Songs der Pionierin des frühen Rock’n’Roll
Für ihre LP „Rock n’Roll Million Sellers“ hatte Connie Francis 1959 tatsächlich „Heartbreak Hotel“ und „Ain’t That A Shame“ aufgenommen. Aber als Bear Family Records 2003 von ihr „Connie Rocks“ vorlegte und sie damit in derselben Tradition großer Rocker verortete wie Smiley Lewis und Gene Vincent, Eddie Cochran und Jerry Lee Lewis, war das ein mehr als waghalsiges Unternehmen. Dabei enthielt die CD die beiden Rock-Evergreens gar nicht mal in ihren Aufnahmen. Die reichte vorletztes Jahr nicht minder mutig Ace Records auf „Rockin‘ Connie“ nach.
Ähnlich abenteuerlich kann man zunächst die Idee finden, von Ella Mae Morse in derselben Serie eine kleine Werkschau mit dem Titel „Ella Rocks“ zu veröffentlichen. Sie hatte ihre professionelle Karriere im Alter von zarten 14 Jahren begonnen, 1939 von Jimmy Dorsey als neue Jazz-Sängerin für seine Band engagiert. Der feuerte sie wenig später, als er erfuhr, dass sie keineswegs 19 war. Immer noch minderjährig, nahm sie drei Jahre später mit Dorseys ehemaligem Pianisten Freddie Slack und dessen Band den „Cow Cow Boogie“ auf. Capitol Records hatte über Nacht einen neuen Star, der „vergoldete“ Song war der erste von mehreren Hits.
Dabei strebte sie keineswegs zielstrebig eine Karriere als Jazz-Sängerin an, weil sie sich nicht auf ein Genre festlegen lassen wollte. Sie kam auch nicht auf die Idee, ein definitives Image zu entwickeln, mit dem ihre Plattenfirma sie hätte bewerben können. Während der Kriegsjahre brachte sie es – bei Produzenten beliebt ob solcher Vielseitigkeit – in Rundfunksendungen und Hollywoodfilmen zu einiger Popularität. (Am Ende ehrte man sie mit einem eigenen Stern auf dem Hollywood Walk Of Fame.) Aber für die mit Doo Wop und Rockabilly, Rock und Surf Music eingeleitete Teenager-Kultur der Nachkriegsjahre war sie einfach irgendwo zu altmodisch.
„Ella Rocks“ ist das ganz vorzüglich ausgewählte „Best Of“-Destillat aus dem 5-CD-Box-Set „BarreIhouse, Boogie And The Blues“, das sich in der Auswahl auf die Aufnahmen der späten 40er- und der50er-Jahre konzentriert. „Money Honey“, „Ain’t That A Shame“, „Smack Dab In The Middle“ oder „The House Of Blue Lights“ kennt der normalsterbliche Rock-Fan zweifellos eher in den Aufnahmen von Elvis, Rolling Stones, John Lee Hooker, Fats Domino oder Ry Cooder. Mehr Klasse als die Stones-Version hat aber allemal etwa das, was sie aus dem Evergreen „A Little Further Down The Road A Piece“ machte. Nicht nur ihre Cover-Versionen von Coasters-Singles legen die Vermutung nahe, dass sie möglicherweise bei der Konkurrenz von Atlantic Records besser aufgehoben gewesen wäre, wenn die Ertegun-Brüder nicht in Ruth Brown oder LaVern Baker ebenso große Sangestalente gehabt hätten. Cover-Versionen von „Money Honey“ (Drifters), „Have Mercy Baby“ (Dominoes) oder „Rock Me All Night Long“ (Ravens) musste sie aufnehmen, weil Capitol nicht entsprechend hochkarätige Songschreiber unter Vertrag hatte. Nick Tosches fand, dass Morse „Rock Me All Night Long“ auf sublime Weise unzüchtig gesungen habe. Mit Songs wie „Work With Me, Annie“ und dem Debüt von Elvis sollten sich ein Jahr später die Vorstellungen von Unzucht in der populären Musik sehr ändern. (Bear Family) franz schöler