Frankie Goes To Hollywood :: Liverpool (Deluxe Edition)
Das zweite Album der bombastischen Windmacher der Achtziger
Die Manipulation von Medien und öffentlicher Meinung hatte seit Malcolm McLaren niemand so clever betrieben wie Paul Morley, als der mit virtuos in Szene gesetzter Kampagne eine Band populär machte, die jahrelang niemand hatte hören wollen. Alle Exzesse der „Me Decade“ repräsentierte denn auch kaum eine Gruppe besser als Frankie Goes To Hollywood, die durch das Sound-Design ihres Produzenten für eine kleine Weile zu einem spektakulären Pop-Phänomen mutierten.
Von nennenswerter musikalischer Substanz nährte sich dies Ensemble aus Liverpool kaum. Die war bei den wenigen frühen Singles (die dann allerdings sofort in bis zu anderthalb Dutzend Remixes angeboten) schon so erschöpft, dass Trevor Horn all seine Fertigkeiten aufbieten musste, um diesen Tatbestand zu kaschieren. Die schon als Comeback nach dem Album-Debüt im Herbst 1986 lancierte Single „Rage Hard“ war – Bassgitarrist Mark O’Toole kann das ungeniert in den Liner Notes zur Luxus-Ausgabe von „Liverpool“ erzählen – von einer leicht identifizierbaren Led-Zeppelin-Vorlage inspiriert. Allerdings dürfte es im Led-Zeppelin-Katalog wenige Aufnahmen mit so geringem Wiedererkennungswert wie besagte Single geben, obwohl auch die ein Exzess an Produktion war. In den Liner Notes zu „Warriors Of The Wasteland“, der zweiten aus der LP ausgekoppelten Single, fabuliert Holly Johnson jetzt allen Ernstes darüber, wie Reiche und Großkapital Geld waschen, Steuern vermeiden und sich gegen den weniger begüterten Teil der Menschheit verschworen haben. Er muss es wissen. Derselbe Holly Johnson hatte sich – wie die ganze Band – nach dem Erfolg von „Welcome To The Pleasuredome“ umgehend ins steuerlich günstigere Exil nach Irland abgesetzt.
Ob das Intro zu diesem Song vielleicht doch ein wenig von dem zu „In The Air Tonight“ inspiriert wurde, wird in den Liner Notes nicht geklärt. Was das wirklich mit T. S. Eliot zu tun haben soll, bleibt trotz Dankeschön im Kleingedruckten rätselhaft. Die dort ebenfalls genannten Jean Cocteau und Dylan Thomas dürfte auch beim Wiederhören dieser Platte kaum jemand mit den Songs assoziieren. Poeten dieses Kalibers aufzubieten, um künstlerischen Rang für eigene Werke zu reklamieren, trauten sich auch nachweislich bedeutendere Songwriter eher nicht.
Das angeblich in zehn Minuten geschriebene „Is Anybody Out There?“ hat mit Roger-Waters-Paranoia nichts zu tun. Das sei, behauptet Holly Johnson, einer der ausnahmsweise sehr persönlichen Songs gewesen, die dem ganzen Album einen gewissen „Lodger“-Touch vermitteln sollten. Wie das, bleibt sein Geheimnis. Die Deluxe-Edition kommt zwar mit einer Cover-Version von „Suffragette City“. Aber welcher der acht Originalsongs mit David Bowie im Hinterkopf komponiert sein könnte, stellt sich als Frage nirgends.
Dazu bieten auch die vielen Remixes, Outtakes und Live-Mitschnitte unter den Zugaben nichts Erhellendes – auch der „Frankie Condom Mix (For A Wilder Time)“ nicht. „(I Can’t Get No) Satisfaction“ und der „Roadhouse Blues“ deuten noch am ehesten an, dass FGTH das Image wechseln und sich als Rock-Band profilieren wollten. Aber so mochte sie bei der Tournee nach „Liverpool“ mancher schon gar nicht mehr hören.
Bemerkenswert ist, dass Trevor Horn die rockigeren sogenannten Montreux-Mixes von „Rage Hard“ und „Warriors Of The Wasteland“ (Zugaben auf CD 2) letztlich verwarf, um die Tracks mit noch mehr Bombast zu überfrachten. Auch deswegen war Johnson & Co. keine Classic-Rock-Karriere à la Deep Purple beschieden, obwohl es erste und zweite (!) Remixes der Singles im Lauf der Jahre immer wieder mal in die englischen Top Ten schafften. (Salvo/Soulfood) Franz Schöler