Nathaniel Rateliff :: In Memory Of Loss
Das wunderbare Debüt eines beinharten Romantikers
Bevor seine Mutter ihm nach dem frühen Tod des Vaters die ersten Gitarrenakkorde zeigte, setzte sich der ganz junge Nathaniel Rateliff gern die Kopfhörer auf, ließ die alte Led-Zep-Kassette laufen und trommelte am Schlagzeug „When The Levee Breaks“ und „Misty Mountain Hop“ mit. Die Musik auf seinem erstaunlichen Debüt „In Memory Of Loss“ legt diese Assoziation nicht unbedingt nahe.
Der in Denver ansässige Mann aus einem 60-Leute-Kaff in Missouri kommt und geht – nahe. Sofort. Sehr nahe. Mit einer Stimme, die so verletzlich und gleich vertraut wirkt und dabei doch so selbstbewusst, als könne sie gleich noch ein letztes Geheimnis lüften. Rateliff spielt mit dieser Dynamik, from a whisper to … nein, so expressiv wird’s dann doch nicht, aber das Gefühl, er könnte das mit nur einem Fingerschnippen tun, ist ja noch besser.
Allein die ersten sechs Songs hier – mancher Kollege wäre froh, zwei bis drei davon auf einem Album zu haben. Und einige der insgesamt 14 würde man doch gern mal als Bettkanten-Demo hören, um den Anteil von Brian Deck am Gelingen ermessen zu können. Jedenfalls lässt der Produzent (Iron & Wine, Modest Mouse) den Stücken die nötige Luft – und nimmt einem mit manchem Detail doch gern den Atem. Allein diese Gospel-Harmonien im archaischen „We Never Win“, dazu ein Piano, das nur selten so dominiert wie in der Beatles-Referenz „Happy Just To Be“, andere Tasten, Geige, Chöre, gelegentlich Schlagzeug (eher Ringo als Bonham).
Voll reizt Nathaniel Rateliff auch den Kontrast von Musik und Geschichte aus. Nackte Gewalt kommt jedenfalls selten so lässig um die Ecke wie hier in „You Should’ve Seen The Other Guy“, wenn Rateliff singt: „I dodged a blade on a dime, and they was out to cut my throat …“ Das Album, so Rateliff, sei vor allem im Werben um seine Frau entstanden. Wohl ein Romantiker der ganz harten Schule. (Decca/Universal) Jörg Feyer