Manfred Maurenbrecher :: Maurenbrecher für alle
Kollegen von Konstantin Wecker bis Heinz Rudolf Kunze feiern den verkannten Berliner Liedermacher.
Der junge Manfred Maurenbrecher sah in den frühen 80er-Jahren aus wie der der junge Randy Newman, den er wie so viele Liedermacher Anfang der 80er-Jahre – Herbert Grönemeyer, Heinz Rudolf Kunze etc. – verehrte und von dem auch er musikalisch nachhaltig geprägt wurde. Doch Maurenbrecher schien nie sonderlich viel am Erfolg zu liegen, er beobachtete lieber durch seine schwarzgeränderte Brille, was in seinem Berliner Kiez vor sich ging und verdiente sein Geld, indem er Lieder für Spliff, Herman van Veen, Veronika Fischer und Katja Ebstein schrieb. So ist es nur folgerichtig, dass ihm hier Wegbegleiter und Gleichgesinnte Tribut zollen. Und es ist ein fast schon monumentales Projekt geworden, die Liste der Beteiligten lang: Reinhard Mey, Klee, Konstantin Wecker, Klaus Lage, Hannes Wader, Götz Alsmann, Ulla Meinecke und Heinz Rudolf Kunze – um nur die bekanntesten Namen zu nennen.
Wie bei jedem gelungenen Tribut gibt es auch auf „Maurenbrecher für alle“ Beiträge, die einen anderen, interessanten Blick auf das Original erlauben, ohne es seiner ursprünglichen Faszination zu berauben – etwa wenn Dan Richter und Andrés Atala-Quezada aus „Wieder verliebt“ einen blubbernden Disco-Stampfer im Stil der Neuen Deutschen Welle machen, wenn Thilo Bock feat. Protokumpel „Halbwertzeit“ zum besoffenen Trash-Elektro umdeuten, wenn Martin Goldenbaum „Erst brennen, dann löschen“ als statischen Sprechgesang modifiziert. Die Reformbühne Heim & Welt zelebriert die herrlich verstolperte Hymne „Ein Glas für Harry“, der Avocadoclub feiert den „Auberginen-Mann“. Die Balladen sind allesamt in gelungenen bis berückenden Interpretationen dargeboten, von Konstantin Weckers „Einfaches Ja“ bis Veronika Fischers „Schwarze Katze“, von Volly Tanners „Herz ohne Gefährten“ bis Ulla Meineckes „Hafencafé“. Sogar Maurenbrechers groteske Stücke finden auf den drei CDs meist ein geeignetes Medium. Die Art, wie scheinbar Nebensächliches zur quasi-metaphysischen Erfahrung („Stein im Schuh“, „Kakerlaken“) und Wesentliches in Nebensätzen abgehandelt wird – das sind die Widerhaken, in denen sich Maurenbrechers wahre Meisterschaft zeigt.
„Maurenbrecher für alle“ ist ein rundherum fantastisches Sammelsurium aus dem Werk eines schändlich verkannten Alltagspoeten. Natürlich vermisst man im Vergleich mit den Originalen das charakteristische Lispeln, das Verschleppen der Silben und den raspelnde Grundton. Dennoch ist fast jeder Beitrag von beseelter Leidenschaft getragen, ob beschwingt oder versunken, feinsinnig oder wüst. Als Gegenmittel gegen den herkömmlichen deutschen Konsenspop helfen Maurenbrechers Lieder allemal. Neben Heinz Rudolf Kunze hat er wohl einige der schönsten Lieder in deutscher Sprache verfasst. (Reptiphon)